Klar ist: Dieser Bundestagswahlkampf wird nicht mehr als eine Fußnote in der Geschichte der Bundesrepublik sein. Zu langweilig, zu fade, zu kraftlos, zu präsidial. Ganz anders könnte es sich aber mit dem Wahlabend am 22. September verhalten. Einige Überraschungen drohen, mit denen man heute – 10 Tage vor der Wahl – noch nicht rechnet. Wir haben mal einen schrägen Blick in die Wundertüte des Wahlausgangs gewagt – natürlich stets mit dem Satz von Karl Valentin im Kopf, dass Prognosen schwierig sind, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.

1. AfD: Mit den schweigenden fünf Prozent ins Parlament?

Die Alternative für Deutschland ist eine klassische Ein-Punkt-Partei. Raus aus dem Euro. So heißt die Botschaft. Offensichtlich dringt die Partei momentan aber nicht durch zum Wähler. Die Umfragen zeigen: Mehr als drei Prozent sind nicht zu holen. Denn: Union und FDP haben viel getan, um die Euro-Krise im Wahlkampf klein zu halten und – so gut wie möglich – aus dem Gedächtnis der Wähler zu streichen. Das mag gelingen, muss aber nicht. Die AfD hat Analysen zufolge ein Potenzial von bis zu 24 Prozent. Deshalb ist folgender Verdacht nicht ganz unbegründet: Viele Bürger könnten in den Meinungsumfragen die AfD nicht als ihre erste Option markieren, weil es gesellschaftlich nicht opportun erscheint, sich für eine radikalere Alternative im Spektrum der Parteien auszusprechen. In der Wahlkabine kann das aber ganz anders aussehen…

2. Die Linke als drittstärkste Kraft in Deutschland?

In einem Mainstream-Wahlkampf ohne klare Polarisierung profitieren häufig diejenigen Parteien, die klare, simple, differenzierende Botschaften haben und damit die Wähler auf den letzten Metern emotional packen können. Dazu gehört sicherlich die Linke. Ein Beispiel: Das Wahlplakat mit dem prägnanten Satz:

„Genug gelabert: 10 Euro Mindestlohn jetzt!“.

Prägnanter geht es nicht. Auch wenn die Linke im Westen sehr schwach aufgestellt ist, so hat sie meiner Meinung nach in Zeiten einer mittigen Steinbrück-SPD die Chance, einen Überraschungserfolg zu landen, mit einem Ergebnis nahe zehn Prozent. Das würde die Sozialdemokraten enorm unter Zugzwang setzen, doch noch über eine rot-grün-rote Option nachzudenken.

3. Die Grünen auf Augenhöhe mit der FDP?

Die Grünen scheinen keine Fortüne zu haben in diesem Wahlkampf. Ihre Themen haben die anderen Parteien nahezu vollständig vereinnahmt. Siehe Energiewende. Die neue Positionierung als kompetente Wirtschafts- und Sozialstaatspartei will auch nicht so richtig gelingen. Die Frage für den Wähler bleibt: Warum grün wählen? Nur wegen des von ihnen verkörperten Lebensgefühls – und natürlich den guten Plakatsprüchen? Die Partei scheint auf dem Weg zum einstelligen Ergebnis zu sein. Man mag es kaum glauben. Wenn es ganz schlecht läuft, finden sich die Grünen mit sieben oder acht Prozent in der Nähe ihres Intimfeinds, der FDP, wieder. Denn die Liberalen – so die nicht ganz unbegründete These -  könnten von ihrer klassischen Zweitstimmen-Kampagne profitieren und bei deutlich über fünf Prozent landen.

Das sind natürlich alles nur Gedankenspinnereien. Lassen wir erst einmal den Wähler sprechen. Am Abend des 27. September sind wir klüger.

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Dr. Maik Bohne

Dr. Maik Bohne

Maik Bohne ist promovierter Politikwissenschaftler. Seit Jahren beobachtet er internationale Wahlkampftrends. Als Projektleiter für die Initiative ProDialog befasste sich Maik Bohne mit dem Transfer US-amerikanischer Wahlkampfmethoden nach Deutschland. Aus dieser Arbeit resultierte das Buch: „Von der Botschaft zur Bewegung. Die 10 Erfolgsstrategien des Barack Obama.“ Seit Juli 2010 ist Maik Bohne bei der IFOK in den Bereichen Open Governance und Digitale Kommunikation tätig. Auf wahl.de wird er seinen Blick auf die Dialog- und Beteiligungsstrategien der Parteien richten.