Die Wahlkampfsaison geht ihrem Höhepunkt entgegen. Noch vier Tage bis zur Entscheidung. Man hat das Gefühl: Endlich. Es wird Zeit. Es ist genug gesagt, interviewt, berichtet, durch Deutschland getourt worden. Die Argumente sind ausgetauscht. Die Wahlkämpfer schleppen sich der Ziellinie entgegen. Zeit für eine erste Reflexion des Wahlkampfgeschehens – mit Blick auf die Kampagnenstrategien. Die Frage ist: Was wird von diesem Wahlkampf bleiben? Was hat ihn besonders gemacht? Wo konnten Trends gesetzt werden? Drei Gedanken dazu:
1. Endgültig: Wir sind nicht Amerika
Welch eine Aufbruchsstimmung war das noch 2009. Dialog wurde zum neuen Wahlkampfparadigma ausgerufen (auch von mir). Obama hatte es vorgemacht. Der direkte Kontakt zum Wähler an der Haustür und im Netz, das sollte die Killer-App der Wahlkämpfer werden. 2013 herrscht nun Ernüchterung. Glotze und Plakate bekommen weiterhin den Vorzug. Von oben verordnete Dialogoffensiven, wie sie die SPD ausgerufen hat, waren zwar nett gemeint und gut für die politische Kommunikation, sie scheinen ganz unten an der Basis aber nicht gezündet zu haben. Es mangelte an fast allem: An Freiwilligen, Budget, Begeisterung und Taktik (Stichwort: Targeting) – in allen Parteien.
2. Herausforderung: Aufmerksamkeitsökonomie
In Zeiten einer hyperfragmentierten Medienwelt mit einer wachsenden Zahl von Mikroöffentlichkeiten wird es immer schwieriger, Botschaften konsistent und nachhaltig zu setzen. Das hat dieser Wahlkampf eindrucksvoll gezeigt. Kein Thema schaffte es, sich als Leitthema lange auf der Agenda zu halten. Das hatte sicherlich auch hausgemachte Gründe in den Parteien. Merkel wollte kein zentrales Thema setzen, SPD und Grüne konnten es nicht – oder fanden es nicht. Dahinter deutet sich aber etwas Grundlegenderes an. Heute müssen wir uns auf immer mehr Gleichzeitigkeiten in der Kommunikation einstellen. Der Kampf um Aufmerksamkeit wird immer intensiver (und hoffnungsloser). Interessant in diesem Zusammenhang: Je zahlreicher und transparenter die Kommunikation wird, desto vergesslicher und unkritischer scheint die Öffentlichkeit als Ganze zu werden. Ein Vorteil für Angela Merkel, die über das mediale Rauschen hinweg zu regieren scheint.
3. Tumblrisierung: Ich mach mir meinen Wahlkampf selbst
Das positivste an diesem Wahlkampf kommt zum Schluss. Zwar zeigt das alte massenmediale System weiterhin außerordentliche Beharrungskräfte. Aber: Immer mehr werden wir, die Bürger, selbst zum bestimmenden Element im Wahlkampf. Wir sind die Gatekeeper geworden – und zum Teil sogar sehr kreative. Die Tumblrisierung des Wahlkampfes hat begonnen. 2013 hat gezeigt: Parteien können vielleicht noch einen kommunikativen Rahmen setzen. Gefüllt werden wird er durch uns, die Nutzer und Rezipienten. Merkels Raute bei tumblr war hier nur ein Vorgeschmack.
Dr. Maik Bohne
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