“Digital Public Affairs” ist in aller Munde und mittlerweile zentraler Bestandteil politischer Kommunikation, gerade in Wahlkampfzeiten. Es bringt nicht nur Bingo-Stifte zum Glühen sondern setzt auch ein breites Verständnis sowohl von politischen Sonderlichkeiten als auch von neuesten digitalen Trends und Tools voraus. Besonders auf die jüngsten Beiträge zu Mobilisierung und Personalisierung, Operation Klingelknopf, die Lust an der Skandalisierung und zu Gamification sei an dieser Stelle verwiesen.

wahl.de ist natürlich der erste Anlaufpunkt für alle, die sich zum Online-Wahlkampf und den Social Media-Aktivitäten der Parteien informieren wollen. Aber es gibt natürlich noch eine Reihe weiterer interessanter Webseiten und Tools, von denen wir hier einige kurz vorstellen wollen.

http://www.flickr.com/photos/86639298@N02/8559728371/ (CC BY 2.0  HomeSpot HQ) 

Twitterbarometer

Zur Bundestagswahl 2009 noch unter dem Label “Wahlgetwitter” gestartet, setzt Sascha Lobo mit seinem Projekt Twitterbarometer auch zur Bundestagswahl 2013 wieder auf die Auswertung von Nachrichten auf Twitter. Mittels negativ oder positiv konnotierten Hashtags wie #cdu- oder #spd+ soll sich ein “stets aktuelles Bild der politischen Stimmung im Netz” ergeben. In Kooperation mit dem Social-Media-Analysten BuzzRank runden aktuelle Zahlen, 30-Tage-Trends, eine Übersichtskarte und die Top-Tweets des Tages das Angebot ab. Der Hinweis “im Netz” ist wichtig für die Bewertung des Tools. Vorgänger Wahlgetwitter sollte ursprünglich so genau wie möglich die tatsächliche Stimmungslage im Wahlvolk abbilden, ist jedoch schnell an der Methode gescheitert und von den Piraten geentert worden. Mit Blick auf das Twitterbarometer 2013 bleiben vor allem zwei Dinge hängen: Piraten und AfD liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den lautesten Protest im Netz. Und die CDU/CSU gewinnt keinen Blumentopf. 

Bundestwitter/Bundestalker

Egal wer im Netz was zu sagen hat: Noch immer sind Wortmeldungen von Abgeordneten das Gelbe vom Ei. Wo früher noch der obligatorische Blick in die Zeitung nötig war, liefert heute der Twitter-Account eines Abgeordneten knackige Zitate, Hinweise auf Interviews oder auf aktuelle parlamentarische Initiativen. Selbst die großen Online-Medien wie SPON oder Sueddeutsche zitieren mit Vorliebe aus den Tweets der Abgeordneten, da sie im Zeitalter der Echtzeit-Kommunikation schneller und oftmals auch ungefilterter zu bekommen sind.

Mit unterschiedlichen Herangehensweisen bemühen sich zwei Tools, einen Überblick über die momentan 311 Twitterer unter den Abgeordneten zu verschaffen: Bundestwitter und Bundestalker. Der Bundestalker ist ein Twitterbot und macht nichts anderes, als automatisiert Tweets der Abgeordneten zu retweeten. Für jede Fraktion als auch für die Regierungsbank existieren weitere Twitterbots. Für einen schnellen Überblick reicht das, Bundestwitter hingegen liefert detailliertere Informationen. Wichtigstes Instrument neben der chronologischen Auflistung der letzten Tweets ist die integrierte Suchfunktion, die angesichts der eingeschränkten Twitter-Suche ein wahren Segen für jeden Recherchezweck darstellt. Bundestwitter zeigt ebenfalls die häufigsten Hashtags an, eine zeitliche Differenzierung wäre jedoch ein interessantes Feature.

Politwoops

“Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.” Hätte Joschka Fischer einen Twitter-Account gehabt und hätte er diesen denkwürdigen Satz als Tweet abgesetzt, so hätte er ihn schnell wieder löschen können und kaum jemand hätte etwas bemerkt. Hätte? Seit es das Projekt Politwoops gibt, ist auch auf Twitter den Abgeordneten ein wenig Kontrolle über ihr Geschriebenes entzogen worden. Politwoops sammelt und archiviert alle gelöschten Tweets der Abgeordneten. Oft sind es nur Tipp-Fehler oder gehackte Accounts, die zum Spam-Versand missbraucht werden, aber ab und zu weht noch der Geist Joschka Fischers durch die Twittersphäre. Eine lesenswerte Geschichte über das von Open-Data-Aktivisten aus den Niederlanden gestartete und in 21 Ländern genutzte Projekt findet sich bei der Deutschen Welle.

Fanpagekarma

Weg von Twitter, hin zum Social-Media-Riesen Facebook: Mit einer Sonderseite zur Wahl 2013 verfolgt Fanpagekarma mit einem FanpageRadar “die aktuelle politische Diskussion und zeigt die Trends. In Echtzeit.” Der Anspruch ist hoch und wird mehr als erfüllt. Eine genaue Beschreibung des Tools würde diesen Beitrag sprengen, aber insbesondere die übersichtlichen Daten zur Performance und zum Nutzer-Engagement sowie die Analysen hinsichtlich der erfolgreichen Postzeiten und den Top&Flop-Posts sind einen unbedingten Blick wert.

Deutschland wählt

Einen simplen Aggregator aller digital auftreibbaren und Bundestagswahl-relevanten Informationen im Newsroom-Format stellt “Deutschland wählt” dar. Widget an Widget werden sowohl Umfragen als auch die Facebook-, Twitter- und Youtube-Kanäle der Parteien und Abgeordneten abgebildet. Abgerundet wird das Angebot von einer per Bookmarkingdienst Delicious betreuten Presseschau. 

Bundesblogs

Dazu gibt es noch eine Reihe von Blogs als qualitativ gehaltsvollste Quellen. Die Fülle an Material ist auch hier gewaltig: Blogs von einzelnen Abgeordneten (“Schwarzer Peter” von Peter Tauber MdB oder des Bundestagskandidaten Malte Spitz), Fraktionsblogs (CDU/CSU-Fraktion, SPD-Fraktion, etc.), Themenblogs der Fraktionen (GrünDigital), die Unterstützerseiten von team.cdu.de oder für die Opposition #bewegungjetzt, schwarzgelblog sowie countdownbtw. Oftmals fungieren sie als Social Hub, von dem alle weiteren Aktivitäten ausgehen. Und auch die deutsche Blogosphäre beschäftigt sich natürlich mit Politik und Wahlkämpfen, wie zum Beispiel die Macher von Homo Politicus, die regelmäßig einen Blick auf alle Aspekte digitaler Wahlkampfführung werfen. Dazu in einem folgenden Beitrag aber bald mehr.

Umfragen

Fernab von Fanzahlen bei Facebook und den neuesten Tweets der MdBs ist vor allem noch eines wichtig: Aktuelle Wahlumfragen. Das Meinungsforschungsinstitut pollytix berechnet einen tagesaktuellen Wahltrend aus dem gewichteten Mittel aller Bundestagswahlumfragen der letzten zwanzig Tage. Es ist zwar nicht ganz eine deutsche Version von Statistik- und Umfrage-Guru Nate Silver, gibt als Meta-Analyse aber einen sehr guten Überblick. Election.de macht das auch, ergänzt seinen Auftritt jedoch noch mit einer äußerst hilfreichen Wahlkreis-Prognose.

Factchecking

Im letzten US-Wahlkampf hat die Washington Post mit ihrem Truth Teller Echtzeit-Factchecking (fast) zur Realität werden lassen. Davon sind wir in Deutschland zwar noch weit entfernt, aber ZDF und Wikimedia Deutschland haben sich jetzt zusammengetan, damit es auch im deutschen Wahlkampf eine Plattform gibt, die Aussagen von Politikern und Parteien auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. #ZDFcheck setzt dabei auch auf Crowdsourcing, denn die Redakteure vom ZDF sollen dabei von der Community durch Hinweise bei der Überprüfung und Faktenfindung tatkräftig unterstützt werden. Mehr Infos zum Projekt gibt es auf der entsprechenden Wikipedia-Seite.

The following two tabs change content below.
Lutz Mache

Lutz Mache

Lutz Mache ist Berater bei der PR-Agentur MSL Germany. Der Verwaltungswissenschaftler und bekennende Sozialdemokrat hat sich insbesondere auf Digital Public Affairs spezialisiert.