Am 26.08.2014 hat Klaus Wowereit mehr oder weniger überraschend seinen Rücktritt erklärt. In das Rennen um das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin sind der Berliner SPD Vorsitzende Jan Stöß, der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus Raed Saleh sowie der Stadtentwicklungssenator Michael Müller getreten.

Foto: Ulrich Horb, SPD Berlin

Entschieden wird der Kampf ums Rote Rathaus durch die 17.200 Berliner SPD-Mitglieder in einem verbindlichen Mitgliedervotum. Die Abstimmungszettel müssen spätestens morgen bei der Post eingehen und die Kandidaten hatten damit nur knapp eineinhalb Monate Zeit, eine Kampagne zu entwickeln und umzusetzen. Dies taten Sie auf recht hohem Niveau, obwohl hier nicht, wie sonst üblich, die Parteizentrale, das Berliner Kurt-Schumacher-Haus, mit ihren Mitarbeitern bei der Kapagnenumsetzung behilflich war:

Jeder der drei Kandidaten hat seine Kampagne im Rahmen des Mitgliedervotums mit Eigenmitteln bestritten. Der Landesverband hat das Verfahren organisiert, also zum Beispiel die Mitgliederforen organisiert und die Briefwahlunterlagen verschickt,

so eine Sprecherin der SPD Berlin gegenüber wahl.de. Dieses Verfahren sei einmalig und würde positiv angenommen:

Mit den vier Mitgliederforen haben wir den Berliner SozialdemokratInnen, aber eben auch den Berlinerinnen und Berlinern via Livestream die Möglichkeit gegeben, sich ein eigenes Bild von jedem der drei Kandidaten zu machen. Über 1700 GenossInnen waren bei den Foren vor Ort, zahlreiche weitere verfolgten die Veranstaltungen via Live-Übertragung. Alle Foren wurde sehr begeistert aufgenommen und viele übermittelten uns, dass diese zu ihrer Entscheidungsfindung beitrugen.

Wenig Kampf auf den Mitgliederforen

Auf den Mitgliederforen war anfangs noch recht wenig vom "Kampf" zu spüren. Die drei Kandidaten griffen sich nicht direkt an, weder inhaltlich noch persönlich, was sich aber nun am Ende bei der letzten Vorstellung etwas drehte. Hier gerieten wohl Michael Müller und Jan Stöß laut Berliner Zeitung etwas aneinander, was durch die ehemalige Landesgeschäftsführerin entsprechend kommentiert wurde: 

 

Aber der Angriff ging wohl eher im allgemeinen Gelächter unter und man muss die Kandidaten wohl auch fast dafür beglückwünschen, dass sie es bis zum Schluss durchgehalten haben, auf öffentliche persönliche Angriffe zu verzichten, wie sie sonst in Wahlkämpfen üblich sind. 

Sachliche Debatte in der Presse 

Die Medien haben den Wahlkampf dankend angenommen, aber auch hier verlief die Debatte recht sachlich. Jeden Tag konnte man den Wettstreit über Gast- und Meinungsbeiträge, Vorstellungen und Analysen in der Presse verfolgen. Klar, gegen Ende wurden die Beiträge auch kontroverser, aber keiner der Kandidaten hat hier einen Gesichtsverlust oder eine zu starke Polarisierung riskiert, geschweige denn auch nur den Namen der Mitbewerber im Rahmen einer kritischen Äußerung genannt. 

Wie erreicht man die SPD Mitglieder?

Abseits der Medien und Mitgliederforen stellte sich für die Kandidaten wohl die Frage, wie sie die 17.200 wahlberechtigeten SPD Mitglieder sonst noch überzeugen können. Der Landesverband der SPD Berlin gab hierfür eine Broschüre mit Kandidatenvorstellungen heraus.

Hier zeigten sich bereits die Unterschiede in den Kampagnen. Michael Müller präsentierte sich mit einem eher schnörkellosen Text, der vor allem seine Erfahrung betonte und wählte das bodenständige Motto: 

Berlin regieren: Ernsthaft und bürgernah

Raed Saleh verpasste seiner Kandidatur einen völlig anderen Spin. In Bezug auf seinen Migrationshintergrund und die Frage, ob Berlin bereits so weit sei für einen Regierenden Bürgermeister mit ausländische Wurzel, antwortet er: 

Bist du so weit? Sind wir so weit?

Damit setzte er für seine Kampagene gleich den passenden Hashtag:

#IchBinSoWeit

Jan Stöß präsentierte sich in seiner Vortstellung gleich zusammen mit zwei prominenten Unterstützern, Jutta Limbach, der ehemaligen Berliner Jusitzsenatorin und Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, sowie mit Michael Sommer, dem ehemaligen DGB-Vorsitzenden. Unter dem Slogan 

Mut zur Erneuerung

fußte seine komplette Kampagne auf einem Unterstützerkonzept. Unter #fuerjan wurden Fotos und Videos bei Facebook und Twitter verbreitet:

Auch Saleh und Müller sicherten sich Unterstützung. Für Müller wurde eigens eine Unterstützerplattform eingerichtet und der Unterstützerhashtag #wirfuermueller platziert. Auf Saleh setzt unter anderem Berlins wohl bekanntester Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky und die ehemalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt: 

Apropos Facebook und Twitter

Michael Müller gab im Zuge seiner Kandidatur seine bisherige Social Media Verweigerung auf und hübschte zudem seinen Internetauftritt wohl mit Hilfe von Elephantlogic, der Agentur des ehemaligen SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel, auf. Am 3. September, kurz nach der Bekanntgabe, dass er auch kandidiert, wurde eine Facebook Fanseite eingerichtet, auf der nun fleißig aktuelle Presseberichte und Veranstaltungsfotos geteilt werden. Immerhin 797 Fans konnte Müller innerhalb von gut eineinhalb Monaten sammeln – eine beachtliche Größe für die kurze Zeit. Persönlich scheint er sich allerdings den neuen Medien nicht zu widmen. Hier haben seine zwei Konkurrenten Saleh und Stöß schon weit mehr Erfahrung und entsprechende Routine. Stöß postet persönlich auf allen Kanälen und Saleh über sein Facebook Profil. 

Nun bleibt abzuwarten, wie hoch die Beteiligung beim Mitgliedervotum ausfällt und ob einer der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen kann, ansonsten gibt es einen zweiten Wahlgang. Am 8. November soll dann der neue Regierende Bürgermeister vom Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt werden. 


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Sebastian Schmidtsdorf

Sebastian Schmidtsdorf

Head of PR bei Civey
Bei wahl.de seit 2013. Mitherausgeber wahl.de-Buch #BTW13 Themen, Tools und Wahlkampf. Leiter Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit bei Civey. Leidenschaftliche "fragerei by dorfgeschrei".
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