In Deutschland ist der Straßenwahlkampf gute, alte Tradition. Vergessen die Parteien CDU und SPD dadurch Twitter und Co? Im Zeitalter der Digitalisierung sollten geografische Grenzen keine Rolle mehr spielen. Dass das Saarland im März ein neues Parlament wählt, bekommt man außerhalb trotzdem kaum mit. Unter #ltwsaar2017 können alle Parteien, Kandidaten und Jugendorganisation die Möglichkeit nutzen, auch online Wahlkampfstimmung zu verbreiten. Aber nutzen sie diese Chance überhaupt?

AKK: Viele Fotos, wenig Inhalt.

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat gerade ihre neue Homepage online gestellt. Übersichtlich, strukturiert und wahlkampftauglich. So wie eine Homepage (oder „Internetseite“, wie sie es nennt) sein sollte. Bei Facebook und Twitter ist AKK aktiv und entschuldigt sich sogar, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen mal zwei Tage nichts posten kann.

Inhaltlich ist das Ganze dagegen mau: AKK teilt gerne. Fotos von der Bundespräsidentenwahl, das Parteiprogramm der CDU-Saar, Bilder der Jungen Union. Nur einmal könnte man auf die Idee kommen, dass AKK wirklich im Wahlkampf steckt: Sie aktualisierte ihr Titelbild mit einem CDU-Saar-Banner.

Persönliche Statements zu politischen Entscheidungen oder einen aktiven, themenorientierten Wahlkampf gibt es hier nicht. Facebooknutzer kritisieren, dass nicht auf Fragen oder Kommentare eingegangen wird. Die Netzwerke werden ausschließlich zur Selbstdarstellung genutzt.

Rehlinger: Große Zitate, keine Interaktion.

Wirtschaftsministerin und SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger liegt im Wahlkampf zurück. Sie schultert altbekannte Last: Als Juniorpartnerin in einer großen Koalition soll sie oppositionellen Wahlkampf betreiben. Ihre persönliche Website ist übersichtlich im besten Sinne. Soziale Netzwerke haben einen eigenen Haupttag im Menü. Von hier kommt man auch zum recht aktiven Youtube Kanal der SPD Saar, „wirmachens“. Dieser präsentiert Rehlingers Wahl-Werbespot und ihre Liebe zur Heimat.

Mit Wahlkampffotos und Arbeiterparolen verlinkt sie auf Facebook ihre Statements, die einen direkt auf die SPD-Saar-Homepage führen. Wer hier nicht klickt, bei dem bleibt zumindest ein pathetisches Zitat hängen. Auf Twitter teilt sie die Botschaften der SPD-Saar, eigenes Gedankengut bleibt unter Verschluss. Der restliche Inhalt ist mit der Facebookseite nahezu identisch.


Doch auch eine Kommunikation mit Followern bleibt hier, wie bei AKK, aus. Beide Kandidatinnen übersehen die Möglichkeit mit ihren Wählern zu interagieren.

CDU: Wahlkampf light im Netz.

Es reicht nicht, in der Suchmaschine „Wahlprogramm CDU Saar“ einzugeben. Der als erstes auftauchende Link führt ins Nichts. Mit mehreren Klicks über die Homepage kommt man jedoch, ganz unten, an das komplette Wahlprogramm.
Dafür verweist die Union auf der Startseite in einem eigenen Fenster direkt auf die Twitter-Liste CDU-Saar. Und dort findet man endlich etwas Wahlkampffeeling: Treueparolen, Heimatbilder und unter dem Hashtag #AKKtiv und #starkmacher tauchen sogar einige Wahlplakate auf.

Von einer Kampagne, die speziell digital ausgelegt ist, kann man jedoch nicht sprechen. Wer auf eine Auseinandersetzung mit dem Konkurrenten SPD wartet, wird bitter enttäuscht. Das stetige Angstgespenst „r2g“ spielt im Saarland keine Rolle und wird deshalb auch nicht angegriffen. Offenbar möchte man es sich nicht wirklich mit dem Lieblingskoalitionspartner verscherzen.

SPD: Mit Dialekt auf Wählerfang.

Der neuste Hit der Sozen: Heiko Maas liest einen Teil des Regierungsprogramms vor. Auf Saarländisch, passend zum Tag der Muttersprache. Clever, denn auch an das rote Programm ist nicht so leicht heranzukommen. Versteckt im Pool der SPD-Saar-Homepage. Im World Wide Web mit Lokalpatrotismus werben – eine interessante Masche, die bisher allerdings noch nicht aufging.

Generell wirbt man auf der Facebookseite der Sozialdemokraten gerne mit den drei populären Sozialdemokraten: Saarländer Maas, zweitbeliebtester deutscher Politiker, Martin Schulz und Frank Walter Steinmeier. Die werden im Saarland allerdings nichts ausrichten. Die Welle der Schulzmania konnte noch nicht nach Saarbrücken überschwappen.

Konfrontation mit der CDU gibt es in den sozialen Medien nicht wirklich. Bei den Regierungs-Knackpunkten Bildung und Polizeistellenabbau wirbt die SPD zwar mit ihrer Meinung. Weshalb die Wähler aber die CDU abwählen sollen, erfahren auch die diskussionsfreudigen Kommentarschreiber nicht.

Digitaler Wahlkampf an Jugend outgesourced?

Wenn einer im Saarland für die CDU etwas #AKKtiv ist, dann wohl die Digital Natives der Jungen Union. Während sich die CDU mit Facebook und Twitter schwer tun, ist man hier schon auf Instagram und Snapchat.

Jeder Hausbesuch wird dokumentiert, der Straßenwahlkampf bekommt kommt ins Internet. Das jemand 24 Stunden am Stück allein für die sozialen Medien verantwortlich ist, scheint jedoch unwahrscheinlich.

Ansonsten teilen die „jungen Wilden“ die Beiträge der Mutterpartei und geben befürwortenden Statements ab. Angst vor einem Machtwechsel ist nicht vorhanden, also auch kein Kampfgeist.

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Etwas Auseinandersetzung gibt es auf der Jusos Twitterseite. Jonas Schleunig tweetet hier mehrmals am Tag. Das Werben der CSU um rechte Russlanddeutsche wird sofort kritisch dokumentiert, der Aufwind der Bundes-SPD durch Schulz als „Wechsel“ gedeutet.

Außerdem geht man als Jugendorganisation hart mit dem saarländischen Finanzminister Toscani (CDU) ins Gericht. Den Straßenwahlkampf lässt man gerne von einem RTL-Team begleiten.

Das Internet bleibt „Neuland“.

Auch, wenn man sich durch vielfältige Accounts in den sozialen Netzwerken zukunftsfähig präsentieren will – so ganz hat man die Macht die Möglichkeiten der Digitalisierung noch nicht verstanden. Der digitale Wahlkampf, der mögliche Kontakt zu den Wählern und das Netz als Plattform für Diskussionen bleibt im Saarland der Jugend vorbehalten. Persönlichkeiten wie Martin Schulz und Peter Tauber sind da schon deutlich weiter und zeigen, wie es geht. Niemand will in Deutschland einen zweiten Donald Trump, doch wer sich jetzt der Digitalisierung verweigert, wird den Absrpung verpassen.

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Helena Serbent

Helena Serbent

Seit ihrem Volontariat bei Media Partisans arbeitet Helena Serbent für „wahl.de“ und moderiert bei ALEX Berlin die Talksendung „Kopf.Hörer“. Ihre Schwerpunkte sind Politik und Digitalisierung.