Ob Bild, Tagesschau oder Welt – nach Wahlen wird von Medien und Politikern immer wieder die Frage aufgeworfen, ob Regen und Sonnenschein einen Einfluss auf die Wahlbeteiligung und damit auch direkt auf die politische Wetterlage gehabt haben könnten – vor allem, wenn diese gering ist.
Denn bei Sonnenschein könnten geneigte Wähler ja vielleicht doch nochmal am Badesee liegen oder durch die Stadt flanieren und ob des schönen Spätsommers dann denn Gang ins Wahllokal vergessen haben. Und bei schlechtem Wetter ist der trockene Platz auf der Couch ja oftmals einfach zu verlockend und der Regen draußen vor der Haustür keine gute Wahlalternative.
Spontanität am Wahltag geht leider auch nicht, denn für die Briefwahl ist es dann einfach zu spät. Und obwohl sich laut einer aktuellen Bitkom-Studie mittlerweile auch 55 Prozent gerne online wählen würde (bei den 18-29-Jährigen sind es sogar 62 Prozent), sind wir in Deutschland davon noch Lichtjahre entfernt. Eine wirkliche Open Government-Strategie wird noch lange auf sich warten lassen, egal wie die Wahl ausgeht und wie sich die neue Bundesregierung zusammensetzt.
Wenn an diesem Sonntag wieder Millionen von Bundesbürgern zu den Wahlurnen strömen, wird also nicht nur die politische Wetterlage interessant sein. Denn Mutmaßungen über den Einfluss von Sonne, Sturm und Regen hin und her: Fakt ist, dass die Bundestagswahl 2009 die mit Abstand schlechteste Wahlbeteiligung der letzten Jahrzehnte (siehe Infografik) hatte – und das bei bestem September-Wetter. Natürlich spielen eine Vielzahl von Faktoren eine wichtige Rolle: die immer wieder berufene Politikverdrossenheit der Bürger, die Kandidaten, die aktuelle Wirtschaftslage, etc.
Eine grade erschienene Studie des Hamburger Instituts für Wetter- und Klimakommunikation kommt nun aber zu dem Schluss, dass das Wetter tatsächlich einen direkten und auch messbaren Einfluss auf die Wahlbeteiligung habe. Die Forscher des Instituts wollen bei ihrer detaillierten Analyse aller Bundestagswahlen seit 1949 herausgefunden haben, dass jedes Grad Celsius mehr auf dem Thermometer etwas 100.000 Wähler davon abhält, ihr Kreuz in der Wahlkabine zu machen. Auch die Anzahl der Sonnenstunden am Wahltag sei wichtig, denn solange die Sonne sich von ihrer besten Seite zeigt, gehen stündlich sogar 250.000 Wähler weniger in ihr Wahllokal.
Wenn nun die Sonne den ganzen Tag freudig vor sich hin strahlt, könnte die Anzahl der Wetter-Nichtwähler nach dieser Lesart leicht in den Millionenbereich gehen. Wie auch immer: Bei den momentanen knappen Umfragewerten und möglichen Koalitionsszenarien kann schon eine sechsstellige Anzahl Mitbürgern, die als Sonnenanbeter lieber nicht von ihrem demokratischen Grundrecht Gebrauch machen, eine entscheidende Rolle spielen.
Aber wie wird denn nun das Wetter überhaupt? Die Wahlwetterprognose des Meterologen Thomas Rinderer (UBIMET / wetter.tv) lautet: „Der Sonntag bringt besonders der Westhälfte viel Sonnenschein. Im Norden und in der Osthälfte wechseln Sonne und Wolken einander ab. Besonders von der Nordsee bis zur Oberlausitz sind ein paar Tropfen möglich, meist bleibt es aber trocken. Der Wind weht abseits der Küste meist schwach bis mäßig aus Nordwesten und die Temperaturen steigen auf 15 bis 22 Grad.“
Die Sonne wird sich auf jeden Fall zeigen und auch Temperaturen von über 20 Grad Celsius sind höchstwahrscheinlich in einigen Teilen Deutschlands zu erwarten. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich die Sonne auf die Wahlbeteiligung auswirken wird und ob wir ähnliche Tiefstwerte wie 2009 sehen werden. Überhaupt muss ja auch erst noch geklärt werden, wem eine niedrige Wahlbeteiligung eigentlich hilft. Der Westen sagt: eindeutig den großen Parteien. Wird die Sonne also schlussendlich etwas zu einer großen Koalition führen? Wir werden sehen. Übrigens kamen andere Forscher bei der Untersuchung einer Korrelation zwischen Wetter und Wahlbeteiligung zu einem ganz anderen Ergebnis als ihre Kollegen aus Hamburg. In ihrer Analyse von Wahlen in den Niederlanden steigert Sonnenschein eindeutig die Wahlbeteiligung. Aber die Holländer haben ja auch ganz bestimmt ein anderes Verhältnis zur Sonne.
Adrian Rosenthal
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