Soziale Netzwerke haben Im letzten US-Wahlkampf – wie wir hier ja beinahe schon mantramäßig wiederholen – eine immens wichtige Rolle gespielt. Demokraten und Republikaner haben Facebook, YouTube, Twitter und Co. für ihren Outreach genutzt, haben dort Inhalte virale geteilt und Wähler und Unterstützer mobilisiert.
Aber auch die sozialen Netzwerke selber waren im Rennen um das Weiße Haus mit eigenen Angeboten und Plattformen aktiv – ebenso wie die großen Medien, die zum Teil eigene Plattformen oder Angebote in Kooperation mit sozialen Netzwerken entwickelten. YouTube startete eine eigene Themenseite, die die Videos der Kandidaten verglich, die Anzahl der Views akkumulierte und regelmäßig die interessantesten Videos vorstellte.
Facebook veranstaltete zusammen mit CNN eine Reihe von Townhall-Meetings (eines der Townhall-Meetings konnten sie sogar direkt mit Obama durchführen) und rief dazu aktiv ihre Nutzer zum wählen auf. Auch Yahoo und Microsoft hatten eigene Angebote am Start: die Suchmaschine Bing stellte die Kandidaten vor, hatte Wahlaufrufe unter anderem von Chelsea Clinton sowie Umfragen; Yahoo startet mit „The Voice of…“ eine Mitmach-Seite, bei der Nutzer eigene Meinungen zu bestimmten Politikthemen posten und sich mit anderen Nutzern vergleichen konnten. Twitter verfolgte fortwährend in einem Index die Einstellung der Twitternation gegenüber den beiden Kandidaten und glänzte als Echtzeit-Diskussionsmedium vor allem während der Debatten zwischen Obama und Romney mit einer Reihe von Statistiken. Und natürlich hatte Google neben YouTube Politics auch eine Wahlseite (wie schon bei der Präsidentschaftswahl 2008 und seitdem auch in anderen Ländern) gelauncht, auf der eine Vielzahl von Informationen zur Wahl zusammenfloss. Zudem startete Google zusammen mit der Organisation TurboVote einen Leitfaden zur Wählerregistrierung, bei dem sich Nutzer auch gleich online registrieren konnten.
Und Deutschland?
Wahl.de ist hier natürlich ein Vorzeigeprojekt und dient seit 2008 als zuverlässiger Kompass für die Online-Aktivitäten deutscher Politiker. Zudem startet wahl.de zusammen mit dem Business-Netzwerk Xing und dem Magazin politik&kommunikation mit „Sieben“ eine Q&A-Initiative, bei der sich Politiker sieben Wochen lang den Fragen der Community zu verschiedenen Themen stellen, wobei die User die beste Antwort des Tages küren.
Von Facebook, Twitter, Google und Co. gab es hierzulande bisher jedoch keine Plattformen und Initiativen. Bis vor kurzem jedenfalls nicht. In den letzten zwei Wochen hat sich jedoch einiges getan. Zuerst legte Google mit einem Election-Hub vor, der verschiedene Angebote des Konzerns aus Mountain View kombiniert. Dann folgten auch Twitter sowie der Axel Springer Verlag mit eigenen Angeboten. Zeit, diese im Folgenden mal kurz unter die Lupe zu nehmen.
Discover Twitter?
Ich gebe es vorneweg gleich mal zu: Twitter ist schon seit langer Zeit einer meiner absoluten Lieblinge. Von daher gab es hier doch eine gewisse Erwartungshaltung, was Twitter hier zaubern wird. Wird es eine Analyse des Sentiments gegenüber den Kandidaten und Parteien geben? Visualisierungen, wer am meisten Follower und Retweets hat? Wer am meisten zulegt? Leider gibt es auf der Twitter-Page zum Bundestagswahlkampf nichts dergleichen. Es gibt eine kleine Grafik zu den Erwähnungen der Parteien auf Twitter. Und eine mehr als müde Auflistung der Profile von Bundestagskandidaten, Chefredakteuren und Medienseiten. Solche Listen gab es vorher schon in besserer Form. Die Auswahl der aufgelisteten Accounts verwundert einfach, wenn man Twitter kennt. Und man fragt sich, ob Twitter eigentlich die deutsche Twittersphere kennt. Warum sollte ich bei der SPD zum Beispiel Sonja Steffen folgen, die im August 2012 das letzte Mal einen ihrer insgesamt vier Tweets absetzte. Warum finde ich da nicht zum Beispiel Mathias Richel, der den Diskurs über die SPD bei Twitter sicherlich hundertmal aktiver und engagierter prägt. Was soll die Auflistung der Accounts bei den üblichen Verdächtigen der bekannten Massenmedien? Die lassen sich doch ganz einfach finden. Wo sind die Blogger (ja, es gibt tatsächlich sogar Politblogger in Deutschland)? Wo findet sich der Twitter-Account von wahl.de? Wo die Leute, die Twitter groß gemacht haben?
Fazit: Eigentlich überflüssig.
Deutschland, deine Nichtwähler
Mit der Plattform wahllos.de fährt die Axel Springer Akademie hingegen einen ganz interessanten Ansatz. 18 junge Journalisten der Akademie nehmen dabei die Nichtwähler Deutschlands unter die Lupe. Dabei wird vor allem auf abwechslungsreiche Inhalte gesetzt: es gibt Videoportraits von Nichtwählern, einen multimedialen Roadtrip durch Deutschland, Infografiken, ein Videoforum. Pluspunkte gibt es auch dafür, mal tumblr einzusetzen. Minuspunkte hingegen dafür, dass er einfach zu selten mit Inhalten befüllt wird. Denn sogar im aktuellen Wahlkampf ist ein bisschen mehr los als auf dem wahllos-tumblr. Bei 18 beteiligten Jungjournalisten sollte da einfach mehr kommen. Es wirkt fast ein bisschen so, als ob zu sehr nach Redaktionsplan gehandelt wird mit wenig Raum für Spontanität und aktuelle Themen.
Fazit: Von Aufbereitung und Inhalten als journalistisches Format ansprechend gemacht.
2013+Du. Google lässt mitreden
Zwar gibt es kein Format wie YouTube Politics, wie bei der letzten US-Wahl. Allerdings bietet die Google-Seite zur Bundestagswahl einiges an Funktionen und Formaten und schlägt die US-Seite deutlich. Natürlich stehen die Google-Angebote im Vordergrund: Es gibt eine Auflistung der Google+-Profile von Parteien und Politikern, es gibt Google News zur Wahl, es gibt Infografiken, es gibt natürlich Informationen zu Suchtrends. Im Vordergrund stehen auch Google-Hangouts, die in Zusammenarbeit mit dem Video-Blogger Tilo Jung und politik-digital.de als redaktionellem Partner umgesetzt werden und in denen immer wieder Politiker zu Gast sind, um so zumindest einen virtuellen Dialog zwischen Parteien und Bürgern zu ermöglichen. Ein Herzstück ist zudem eine interaktive Stadt, in der man sich durch verschiedene Themen durchklicken kann. Je größer das Thema dargestellt wird, desto mehr wird über dieses Thema auf Google+ diskutiert – und mit einem Klick kann man dort auch direkt in die Diskussion einsteigen. Zudem soll die Seite bis zur Wahl auch sukzessive weiter ausgebaut werden.
Fazit: Auch wenn die SZ die Seite nicht so recht mag und die fehlende „Revolution“ der Demokratie vermisst (warum auch immer), konzentriert sich Google hier – ähnlich wie auch Axel Springer – auf seine Kernkompetenz und stellt über die eigenen Produkte Informationen rund um die Bundestagswahl zur Verfügung.
Ich bin wie immer gespannt, was sich in den letzten Wochen vor der Wahl noch tun wird und was noch für Aktionen gestartet werden. Grade zum ersten TV-Duell am kommenden Sonntag werde ich Twitter sicher im Auge behalten.
Hinweis: Der Autor und seine Agentur MSL Germany sind für Google in beratender Form tätig.
Adrian Rosenthal
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