Von Udo Möhrstedt, IBC Solar

Unser Land hat schon viele gesellschaftliche Auseinandersetzungen gesehen: Die Wiederbewaffnung, der Atomausstieg, die Friedensbewegung. Sogar um Rente und Rundfunkgebühren wurde gestritten.

Die Energiewende ist anders. Waren die Auseinandersetzungen früherer Tage von einem Dissens zwischen meist gleich starken Gruppen in der Bevölkerung geprägt, verlaufen die Linien bei der Energiewende zwischen Bevölkerung und Konzernen, zwischen Bürgern und Industrie.

Die Fronten sind klar: 93 Prozent der Bevölkerung wollen den Ausbau der Erneuerbaren Energien verstärken und 85 Prozent sind dafür, dass dazu Geld über eine EEG-Umlage oder aus Steuern fließt.

Verdrehte Diskussion um die Energiewende

Wer aber die Zeitung aufschlägt oder in eine Talkshow zappt, trifft dort auf eine andere Wirklichkeit. Dort wird so getan, als würden Erneuerbare Energien den Strompreis in die Höhe treiben (dabei wird der Strompreis vor allem durch Industriesubventionen und Extragewinne der Stromhändler verteuert), als würde laufend teuer bezahlter Strom ins Ausland verschenkt (dabei ist dies extrem selten der Fall) und als vernichtete die Energiewende Arbeitsplätze – dabei gibt es keine Branche, in der in den letzten Jahren derart viele Jobs geschaffen wurden, wie unsere.

Ohne jede Grundlage ist auch der Vorwurf der Planwirtschaft. sind die ökonomischen Risiken für große Grünstrom-Kraftwerke erheblich, wenn man etwa das Wetterrisiko oder technische Risiken betrachtet. Und es fällt auf, dass diejenigen, die das EEG als Planwirtschaft geißeln, an seiner Stelle ein System aus staatlich festgesetzten Quoten und Preisen setzen wollen.

CC BY-2.0 Oregon Department of Transportation

Verbraucher subventioniert Industrie

Sicher: Mit der Erzeugung eines Viertels des gesamten deutschen Stroms aus Sonne, Wind & Co. müssen die Rahmenbedingungen neu justiert werden. Es kann nicht sein, dass der Ottonormalverbraucher über die überhöhte EEG-Umlage fast 2500 Betriebe subventioniert, die sich trickreich die bestehende Gesetzeslage zu Nutze machen, um sich aus der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung der Energiewende zu verabschieden.

Mittlerweile dürfte sich der seltsame Mechanismus, dass bei fallenden Börsenstrompreisen die EEG-Umlage steigt, ohne dass eine einzige Kilowattstunde erneuerbarer Strom mehr produziert worden ist, herumgesprochen haben. Weniger bekannt ist, dass dieser sogenannte Ausgleichsmechanismus erst 2010 eingeführt wurde. Und dass seither die Börsenstrompreise fallen.

Was ist also zu tun? Der Teufelskreis aus sinkenden Börsenstrompreisen und steigender Umlage muss durchbrochen werden – die Sondergewinne aus sinkenden Börsenstrompreisen müssen abgeschöpft werden und über die Stromrechnung beim Verbraucher ankommen. Das EEG, unter welchem Namen auch immer, ist und bleibt das Arbeitspferd, um neue Technologien billiger zu machen und sie an den Markt heranzuführen bzw. sie zu finanzieren, bis es einen Markt gibt, der diesen Namen verdient.

Stellschrauben nutzen

Die EEG-Umlage ließe sich sofort reduzieren, indem beispielsweise die Stromsteuer (die früher einmal Ökosteuer hieß und Erneuerbare Energien anreizen sollte) abgeschafft wird, soweit sie Erneuerbare Energien betrifft. Sie ist in etwa so sinnvoll, wie eine Benzinsteuer für Elektroautos. Auch die Drosselung der Subventionen für Industriebetriebe sorgt für niedrigere Kosten und eine gerechtere Verteilung der Lasten.

Ganz besonders aber muss wieder in den Blick kommen, dass die Erneuerbaren Energien nur ein Teil der Energiewende sind. Durch ihren Erfolg wird der Blick auf den Stillstand bei Wärme und Mobilität verdeckt. Hier explodieren die Kosten viel stärker als im Strombereich und gleichzeitig erzeugen wir einen erheblichen CO2-Ausstoß.

Aber dazu muss wohl erst einmal die Auseinandersetzung um die Stromwende entschieden werden. Es bleibt spannend, welche Seite sich durchsetzen wird!

Gastautor: Udo Möhrstedt, Gründer und Vorstandsvorsitzender des Photovoltaik-Systemhauses IBC SOLAR

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Martin Becker

Martin Becker

Seit mehr als einem Jahrzehnt berät der Soziologe und Politikwissenschaftler Industrieunternehmen, Verbände und öffentliche Einrichtungen bei der Entwicklung von Unternehmens- und Kommunikationsstrategien. Schwerpunktthemen sind Nachhaltigkeit, Umwelt, Klima, Energie, Verteidigung und Sicherheit sowie Stadt- und Regionalentwicklung.
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