Die SPD versucht, mit dem Dauerbrenner Energie im Wahlkampf zu punkten. Angesichts steigender Verbraucherpreise und der großen Bedeutung der Energiewende könnte das Thema durchaus zünden, denn die Folgen und Herausforderungen der Energiewende sind für die Wähler offensichtlich.

CC BY Duhon

Im Vergleich zum Jahr 2000 hat sich der Strompreis für private Haushalte mehr als verdoppelt. Musste ein Vierpersonenhaushalt im Millenniumjahr noch knapp über 500 Euro für Strom ausgeben, so werden es in diesem Jahr durchschnittlich 1.034 Euro sein. Die Belastung spüren vor allem  einkommensschwache Haushalte und mittelständische Unternehmen. Kein Wunder also, dass SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lautstark eine Drosselung des Strompreises für die Privathaushalte fordert.

Quelle: BDEW 2013

Den SPD-Vorstoß kritisierten nicht nur die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP umgehend.

Auch die Energiewirtschaft sparte nicht mit Schelte. Insbesondere der größte Branchenverband, der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), nennt die Forderung der Sozialdemokraten nach einer gesetzlichen Deckelung der Grundversorgerpreises für Strom  „nicht sachgerecht“.  Was steckt dahinter?

 

EEG: der Reformdruck steigt

Der Strompreis für Haushaltskunden ist in den vergangenen Jahren vor allem wegen staatlicher Abgaben und Umlagen gestiegen. Insbesondere die EEG-Umlage, die jeder Privatverbraucher pro bezogener Kilowattstunde Strom zur Förderung der Erneuerbaren Energien zahlt, aber auch immer neu eingeführte Abgaben, wie die Umlage zum Ausbau der Windkraftanlagen auf See (Offshore-Haftungsumlage) belasten den Endkundenpreis zunehmend. Machten staatliche Abgaben und Umlagen im Jahr 2000 noch circa 38 Prozent des Haushaltsstrompreises aus, so betragen sie mittlerweile mehr als 50 Prozent (siehe Grafik). 

Quelle: BDEW 04/2013

Die steigenden Preise haben politische Folgen. In einer jüngst veröffentlichten Forsa-Umfrage stehen zwar 82 Prozent der befragten Privatpersonen hinter der Energiewende, fast die Hälfte ist aber mit der Umsetzung unzufrieden. Auch Verbraucherverbände, die Wirtschaft und die gesamte Energiebranche fordern dringend eine Reform des Energiemarkts.

Der Energiemarkt ist in Schieflage – und jeder kann es sehen

Steinbrücks  Vorschläge zur Begrenzung der Strompreise stoßen damit in eine offene Flanke der Bundesregierung. Noch im Juni 2011 versprach Bundeskanzlerin Angela Merkels in einer Regierungserklärung:

„Die EEG-Umlage soll nicht über ihre heutige Größenordnung hinaus steigen; heute liegt sie bei etwa 3,5 Cent pro Kilowattstunde. Langfristig wollen wir die Kosten für die Vergütung des Stroms aus erneuerbaren Energien deutlich senken.“

Zum Jahreswechsel 2011/2012 stieg sie tatsächlich nur auf 3,592 Cent. Aber die richtig heißen Eisen wurden bei der Mininovellierung des EEG nicht angefasst, sodass die Belastung für die Verbraucher nur verschoben wurde, genau in das Bundestagswahljahr 2013. 

Als die EEG-Umlage dann am 1. Januar 2013 auf 5,27 Cent anstieg, kündigte Bundesumweltminister Peter Altmaier an, die EEG-Umlage zum Jahreswechsel 2014 auf das Niveau von 5,277 Cent einfrieren zu wollen. In den Folgejahren solle sie nur noch um maximal 2,5 Prozent steigen dürfen. Ambitioniert, denn nach den neusten Prognosen des energiewendefreundlichen Öko-Instituts Freiburg dürfte die EEG-Umlage für 2014 bei schätzungsweises 6,1 Cent pro kWh zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer liegen. Stephan Kohler, Geschäftsführer der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur (dena), hält sogar eine  Steigerung auf fast 7 Cent für möglich. Ohne eine Reform des EEG sei bis 2020 mit weiteren jährlichen Steigerungen in der gleichen Größenordnung zu rechnen, so Kohler.

Die Folgen wären weitere Strompreiserhöhungen, die die Privatverbraucher unmittelbar erfahren. Die neue Regierung könnte dies zumindest eindämmen, wenn sie innerhalb des laufenden Jahres den Energiemarkt reformiert. Die Brisanz des Themas haben nun auch Angela Merkel und Volker Kauder erkannt – sie sicherten auf einer Wahlkampfveranstaltung in Cloppenburg zu, die EEG-Reform innerhalb der ersten 100 Tage nach der Wahl anzugehen.

Das EEG 2.0 wird kommen

Die Systemumstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger ist jedoch äußerst komplex und die rasch steigenden Haushaltskundenpreise sind nur ein Symptom der aktuellen Fehlentwicklungen im Energiemarkt. Daher ist zweifelhaft, ob ein Schnellschuss überhaupt wünschenswert ist. Bei der EEG-Reform geht es nicht um weitere Placebos, sondern um eine umfassende Novellierung mit Augenmaß und Weitblick: ein EEG 2.0, das die Erneuerbaren Energien dauerhaft in den freien Markt integriert und überlebensfähig macht, ohne dabei die industriellen und privaten Verbraucher zu sehr zu belasten. Nur so kann die politische Unterstützung der breiten Wählerschaft erhalten bleiben, auf die das Langzeitprojekt Energiewende angewiesen ist. 

Die Energiewende ist Konsens – zahlen wollen sie aber nur wenige

Insofern sind die populistisch anmutenden Wahlkampfvorschläge zur Begrenzung des Strompreises für Privathaushalte aus wahlkampftaktischer Perspektive nur folgerichtig. Alle Parteien haben ausführlich Position zur Energiepolitik und Energiewende in ihren Wahlprogrammen bezogen. Dabei befinden sich die Oppositionsparteien im Vorteil, denn sie können auf das Unvermögen der amtierenden Regierung verweisen, die die Stromkostensteigerung in der abgelaufenen Legislatur nicht wirksam begrenzt hat.

Dennoch gibt es ein Dilemma: Die Preisdiskussion ist ein Unterthema der Energiewende, ein Großprojekt über das in Deutschland ein gesamtgesellschaftlicher Konsens besteht und zu der sich alle Parteien bekannt haben. Die Meinungsunterschiede liegen hier vielmehr im Einmaleins der Umsetzung und damit in den Details oft jenseits des Wählerinteresses. Trotz der allgemeinen Unterstützung für die Energiewende ist der Großteil der Verbraucher nicht bereit, wesentlich mehr für Strom zu zahlen. So ist der Hauptgrund für einen Energieversorgerwechsel für Verbraucher immer noch ein günstigerer Preis.

Ob die Energiekosten dabei wirklich als Kristallisationspunkt für den Wahlkampf taugen, bleibt abzuwarten. Bisher springen die Protagonisten von einem Thema zum nächsten und lassen kaum Kernthemen erkennen. Sie verhindern somit eine klare inhaltliche Positionierung beim Wähler. Eines ist jedoch bei der Diskussion um zu hohe Strompreise sicher:

Die neue Regierung wird um eine rasche Energiemarktreform nach der Wahl nicht herumkommen.

Dieser Artikel ist von Sebastian Herlt und Johannes Lehken.

Johannes Lehken ist Senior Associate Public Affairs. Er arbeitet seit 2008 am Berliner Standort von Burson-Marsteller und leitet dort die Kundenarbeit im Bereich Energie und Umwelt. Im Vorlauf zur Bundestagswahl 2009 fungierte er als Wahlkampfberater.

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Sebastian Herlt

Sebastian Herlt

Sebastian Herlt arbeitet als Associate Public Affairs bei Burson-Marsteller Berlin. Seine Themenschwerpunkte sind Energie und IT mit besonderem Fokus auf die Energiewende. Zuvor arbeitete er als Referent für politische Kommunikation und Regulierungsmanagement bei einem mittelständischen Energieversorger.
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