Das Thema Energie wird die Bundestagswahl 2013 in erheblichem Maße beeinflussen. Denn für 29 % der Deutschen spielt die Energiepolitik bei ihrer Wahlentscheidung eine große oder sehr große Rolle. Wird der Ausgang der Bundestagswahl damit auch über den Erfolg der Energiewende bestimmen?

Der Preis der Energiewende 

Seit Monaten tobt ein heftiger Verteilungskampf zwischen Energiekonzernen, Wirtschaft und Politik. Die Schätzungen über die Kosten der Energiewende übertreffen sich gegenseitig. Von mehreren hundert Milliarden, gar Billionen Euro ist mittlerweile die Rede. Da wundert es nicht, dass auch für die Wähler bezahlbare Energiepreise das zentrale Thema der Energiepolitik sind.

Den Parteien kommt die Preisdebatte gerade recht, bietet sie doch scheinbar einen guten Aufhänger, um die eigenen vielschichtigen Positionen zu erläutern. Denn die Maßnahmenkataloge der Parteien sind lang. Der Wirkungszusammenhang energiepolitischer Ziel- und Maßnahmensysteme ist kaum noch erfassbar.  Derzeit trauen fast genau so viele Wähler der CDU/CSU (22%) Lösungskompetenz bei der Energiewende zu wie den Grünen (24%). Ist das ein Aufruf zu einer schwarz-grünen Koalition oder lediglich Ausdruck einer großen Ratlosigkeit?

Bild: CC BY-SA 3.0  Bernd Schwabe

Die Logik des Misslingens

Die Energiewende ist ein komplexes Vorhaben und die Eingriffe in bestehende Systeme und Strukturen tiefgreifend. Seit den 1970er-Jahren erforscht der deutsche Psychologe Dietrich Dörner das Verhalten von Menschen in komplexen Problemsituationen. In seinen Computer gestützten Experimenten scheiterten die meisten Probanden, obwohl sie hoch motiviert und sehr intelligent waren. Sie verkannten nicht nur die typischen Eigenschaften komplizierter Sozial- und Ökosysteme, sie zeigten sich auch außerstande, das einmal gewonnene Bild der Modellwelt den veränderten Umständen anzupassen. Die Maßnahmen verselbständigten sich oft und nahmen dann die Stelle des eigentlichen Problems ein.

Die Energiewende ist ein Jahrhundertprojekt. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen Dörners sollte die Bewertung der Wahlprogramme der Parteien also nicht nur von der inhaltlichen Ausrichtung oder der Beurteilung von Einzelmaßnahmen geleitet sein. Hängt doch der Erfolg der Energiewende auch wesentlich davon ab, ob es der Politik in der nächsten Legislaturperiode gelingt, sich an wechselnde Umstände anpassen zu können und aus Fehlern zu lernen, nicht aus Aktionismus zu übersteuern, sondern zur Selbstkritik fähig zu ein. Diesbezüglich bieten die Wahlprogramme bislang leider keine Orientierung.

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Anja Kunack

Anja Kunack

Anja Kunack ist seit 2008 bei Ketchum Pleon in Berlin und berät dort als stv. Business Director und Senior Consultant v. a. Kunden aus dem Bereich Energie. Beratungsschwerpunkte sind Corporate und Public Affairs sowie Reputationsmanagement.
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