Mit der Vorstellung des CDU/CSU-Wahlprogramms am 24. Juni haben nun alle im Bundestag vertretenen Parteien ihre Wahlprogramme auf den Tisch gelegt und die inhaltliche Auseinandersetzung könnte beginnen. Noch hat sich aber keine Partei mit einem Wahlkampf-Thema aus dem „Mitte-Feld“ abgesetzt. Mit einem Blick in die Programme der fünf im Bundestag vertretenen Parteien lässt sich dann aber doch der eine oder andere Schwerpunkt identifizieren.

Masterplan oder Augenmaß in der Energiepolitik

Die Unionsparteien setzten im großen und ganzen auf ein „weiter so“, denn die „Politik der kleinen Schritte“ kommt beim Wähler gut an und wird mit Vertrauen belohnt. Energiepolitisch setzt die Union auf eine Energiewende „mit Augenmaß“, während SPD und Grüne einen „Masterplan“ sowie eine zentrale Koordinierungsstelle in Form eines Energieministeriums fordern. Den Verbraucher bzw. Wähler haben natürlich alle Parteien im Blick. Die Grünen fordern hier bezahlbare Energie für alle, ohne dass „unseren Kindern Atommüll und ökologische Schulden“ aufgebürdet werden. Die Linke plädiert für ein kostenloses Grundkontingent an Strom, während die FDP zur Entlastung die Stromsteuer senken will. Auch die Bürgerbeteiligung – finanzielle und ideell – ist bei allen Parteien hoch im Kurs – von Bürgerwindparks ist bei der SPD die Rede und die CDU/CSU setzt auf die Bürgerdividende. Unterschiede gibt es insbesondere beim Umgang mit Kohlekraftwerken – während die Union auf moderne Kohlekraftwerke und heimische Braunkohle setzt, fordern Linke und Grüne den Ausstieg bis 2040 bzw. 2030. Auch die Förderung von unkonventionellem Erdgas wird von Grünen und Linken abgelehnt, während die Volksparteien den Einsatz giftiger Chemikalien ablehnen und nur die FDP darin die Option auf niedrige Energiepreise á la USA sieht.

Open Data und andere offene Fragen der Netzpolitik

Die Brücke zur Netzpolitik schlagen die Parteien beim „smart grid“, das natürlich weiterentwickelt werden sollen. Auch viele andere netzpolitische Themen stecken in den Wahlprogrammen, denn die Piratenpartei scheint hier einige „Innovationsprozesse“ ausgelöst zu haben. Nachdem sich die Regierungskoalition in dieser Legislatur bereits am Thema „Urheberrecht“ abgekämpft hat, nimmt dieses Thema in den Programmen von CDU/CSU und FDP nur einen kleinen Raum ein, während die Oppositionsparteien hier ihre Ideen skizzieren. Die Grünen setzen dabei auf die kollektive Wahrnehmung der Rechte von Urhebern durch Verwertungsgesellschaften – diese sollen aber gerechter, transparenter und demokratischer werden, bzw. alternative Lizenzmodelle wie „Creative Commons“ nutzen oder andere Geschäftsmodelle entwickeln. Das im Vorfeld viel diskutierte Thema Netzneutralität findet sich natürlich auch wieder. So will die CDU hier den politischen Handlungsbedarf prüfen, während die FDP sich für Netzneutralität ausspricht und die Diskriminierung einzelner Angebote innerhalb einer Dienstklasse ablehnt. Die Grünen sprechen sich gegen ein „Zwei-Klassen-Internet“ aus, während Die Linke bereits klar für eine gesetzliche Verankerung zur Sicherung der Netzneutralität plädiert. Ob die verschiedenen Vorschläge zu Themen wie Wlan, Breitbandzugang oder die Förderung der Internetwirtschaft wirklich zum entscheidenden Wahlkampfthema taugen, ist fraglich. Spannender könnte da die Frage nach Open Data werden, die noch nicht alle Parteien für sich beantwortet haben.

Gesundheitspolitik taugt nicht zum Wahlkampfthema

Reichlich Fragen in der Gesundheitspolitik könnten eigentlich die prall gefüllten Kassen der Gesetzlichen Krankenversicherung aufwerfen, doch scheint dieses Thema nicht die Aufmerksamkeit der Wähler auf sich ziehen. Kurz: Zum Topwahlkampfthema reicht es auch hier für keinen der vielen Vorschläge aus den Wahlprogrammen. Und dann wäre da noch die „Bürgerversicherung“. Während es SPD und Grüne immer mal wieder damit versuchen, bekennen sich CDU/CSU und FDP klar zum dualen System mit einer Privaten Krankenversicherung. Aber auch dieses Regulierungsproblem scheint für den Wähler nicht sehr dringlich. Vielleicht kann aber Die Linke die Wähler überzeugen, wenn sie fordert, dass jegliche medizinisch notwendigen Leistungen von den Kassen vollständig übernommen werden sollen – die Finanzierung bleibt allerdings offen.

Wahlkampftechnisch vielversprechender ist da vielleicht das Thema „Versorgung“: Von der Fach- und Hausarztversorgung, zur Krankenhauslandschaft bis hin zur integrierten Versorgung sehen alle Parteien Handlungsbedarf. Im Grundsatz soll den Bürgern dabei wohnortnahe medizinische Behandlungen ermöglicht werden – im Umkehrschluss heißt das u. a. bei den Parteien, dass der Arztberuf attraktiver werden muss. Die Unterschiede sieht man dann wieder bei der Frage nach dem „Wie?“. Hier zielt die FDP darauf ab Ärzte „leistungsgerecht“ zu vergüten, während die SPD die Honorierung anpassen will und die Grünen generell die Primärversorgung im Vergütungssystem  berücksichtigen wollen. Obwohl sich der Bundestagswahlkampf 2013 nicht groß um gesundheitspolitische Themen drehen wird, stehen jedoch angesichts des demographischen Wandels die Hausaufgaben für die Legislatur schon fest: Die Pflege. Beim Fachkräftemangel, der Finanzierung und der Vereinbarkeit mit dem Beruf müssen die Weichen neu gestellt werden…

Welche Fahrtrichtung nicht nur bei diesen Themen eingeschlagen wird, kann der Wähler am 22. September entscheiden. Und wer denkt, dass seine Stimme eh nicht zählt, sei an die knappen Entscheidungen in Niedersachsen und bei der Bundestagswahl 2005 erinnert.

Zur Unterstützung gibt es hier einen Überblick über die Wahlprogramme: http://btw2013.bid.ag/

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Dr. Sandra Busch-Janser
Dr. Sandra Busch-Janser ist Geschäftsführende Vorsitzende von polisphere e.V. - think tank for political consulting. Der Verein liefert regelmäßig Impulse und Denkanstöße für die political community. News, Jobs und Termine gibt es immer Montags direkt ins Postfach.