Eigentlich sollte es der große Wurf werden. Mit der Vorstellung der Bürgerdividende wollte Bundesumweltminister Peter Altmaier vor Kurzem ein wichtiges Zeichen für Transparenz und Beteiligung beim Übertragungsnetzausbau und damit für die Akzeptanz der Energiewende insgesamt setzen: Mit bis zu fünf Prozent Zinsen sollen die vom Netzausbau betroffenen Bürgerinnen und Bürger von entsprechenden Einlagen profitieren. Im Gegenzug erhoffen sich Politik und Übertragungsnetzbetreiber durch diesen Anreiz einen beschleunigten Netzausbau. Doch bald schon folgte die Kritik auf das erste Modell einer solchen Anleihe, die der Übertragungsnetzbetreiber TenneT auf den Markt gebracht hatte. „Zu unsicher und zu unflexibel“, so das Fazit von Verbraucherzentralen. Dazu passte die Nachricht, dass die Zeichnung der Anleihe angeblich nur schleppend verlaufe. 

Akzeptanz für die Energiewende zu schaffen ist von enormer Bedeutung

Das energiepolitische Zieldreieck aus Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit muss daher längst um das Ziel der gesellschaftlichen Akzeptanz ergänzt werden. Ob diese Zielerreichung durch Überzeugungsarbeit geleistet oder wie im Falle der Bürgerdividende durch einen finanziellen Kompensationsanreiz herbeigeführt wird, spielt im konkreten Vorankommen bei der Energiewende keine Rolle – zumindest solange dabei die Gleichrangigkeit im energiepolitischen „Zielviereck“ nicht in Frage gestellt wird.

Warum gesellschaftliche Akzeptanz als notwendiges Kriterium in das Zielsystem der Energiepolitik aufgenommen werden muss, wurde bereits anlässlich der Akzeptanz von Bau- und Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen der Energiewende anschaulich vorgestellt. Doch die Akzeptanzfrage hört nicht beim Trassenverlauf für Hochspannungsleitungen, bei der Ausweisung von Windparkflächen oder dem Für und Wider tiefer Geothermie auf. Vielmehr umfasst sie einen weiteren, enorm bedeutsamen Teil der Energiewende – nämlich deren Kosten. 

copyright: bluedesign, fotolia

Mit steigenden Kosten droht die Akzeptanz zu sinken

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gibt hierzu ein alarmierendes Signal: 52 Prozent der Befragten halten demnach steigende Energiepreise für den größten Nachteil der Energiewende, eine „Verschandelung der Landschaft“ z.B. durch Stromtrassen oder Windräder bewerten nur 11 Prozent als einen negativen Folgeeffekt. Bürgerinnen und Bürger sehen die energiewirtschaftliche Umgestaltung hierzulande – trotz einer allgemein satten Zustimmung von 82 Prozent für die Ziele der Energiewende – also vor allem als finanziellen Nachteil. So viel zur aktuellen Resonanz.

Energiepolitische Maßnahmen müssen daher greifen, um einer noch höheren Belastung der Verbraucherinnen und Verbraucher bei den Energiekosten entgegenzuwirken. Darin besteht auch weitgehend Einigkeit zwischen den Parteien. „Umkrempeln“, „auf den Kopf stellen“, „grundlegend reformieren“: auch der Sprachgebrauch ist im Wahlkampf ähnlich, wenn es um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die viel zitierte Umlage geht, die den Strompreis kontinuierlich ansteigen lässt und sich nach ersten Schätzungen im kommenden Jahr von heute 5,28 auf 7 Cent oder mehr je Kilowattstunde erhöhen könnte. Grundsätzliche Einigkeit besteht sogar beim Reizthema der Befreiung energieintensiver Betriebe von dieser Umlage, auch wenn das im Wahlkampf niemand zugeben würde.

Maxime energie- und klimapolitischer Maßnahmen

Die Kosten der Energiewende im Rahmen zu halten wird über die gesellschaftliche Akzeptanz des Gesamtprojekts entscheiden und zu einer immer wichtigeren Maxime energie- und klimapolitischer Maßnahmen werden. Wenn sich in der Bevölkerung erst die Meinung verstetigt, dass man sich die Energiewende so nicht mehr leisten kann oder möchte, wäre das verheerend.

Die Reform des EEG ist der erste, naheliegende Hebel, und der hier unterstellte politische Konsens im Sinne der Sache von großer Bedeutung. Aber es bedarf weiterer politischer Einigung, beispielsweise beim wichtigen und ebenso kostensensiblen Thema der energetischen Gebäudesanierung. Neben der Frage steuerlicher Anreize für Sanierungen geht es hier gleichzeitig um die Sozialverträglichkeit entsprechender Maßnahmen, die am Ende der Mieter zahlt. 

Transparenz und Pragmatismus sind gefragt

Nicht nur politisch Verantwortliche müssen die Akzeptanz der Kosten infolge der Energiewende stärker ins Kalkül ziehen, auch Lobbygruppen sind hier in mehr Einsicht und Pragmatismus gefordert. Was aber muss man speziell von der Politik erwarten? In jedem Fall die Fähigkeit, die von der Gesellschaft getragenen finanziellen Folgen besser zu erklären und in den Gesamtkontext einzuordnen, auch das stärkt Akzeptanz. Nur rund ein Viertel der Menschen fühlt sich laut forsa-Umfrage gut darüber informiert, was die Energiewende für sie oder ihn persönlich bedeutet. Das ist zu wenig. Und natürlich müssen mehr Ansätze entwickelt werden, um die Kosten auch tatsächlich im Rahmen zu halten; der Kreativität im Sinne der energiepolitischen Zielvorstellungen sind hier keine Grenzen gesetzt.

 

The following two tabs change content below.
Anatol Frantzen

Anatol Frantzen

Anatol Frantzen ist Consultant bei Ketchum Pleon in Berlin. Sein Beratungsschwerpunkt liegt im Bereich Public Affairs, wo er seit mehreren Jahren insbesondere Kunden aus der Energie- und Rohstoffwirtschaft betreut. Im Rahmen der Mandate berät er außerdem zu allgemeinen Fragen der Corporate Affairs, der Unternehmenspositionierung und -reputation.
Anatol Frantzen

Neueste Artikel von Anatol Frantzen (alle ansehen)