„Jeder Wahlkampf sucht sich sein Thema“ lautet ein Lehrsatz für Campaigning-Experten. Für die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag wird immer noch gesucht.
Berliner Politikkreise spekulierten im Herbst 2012 noch auf einen „Rentenwahlkampf“, doch es kam anders. Differenzierungschancen bestehen bei diesem Thema für Parteien kaum noch, seit Norbert Blüm verkündete, dass die Rente sicher sei. Nicht zuletzt die demographische Entwicklung ebnet alle Versuche einer alternativen Politik ein.
Auch wenn tausende Netzaktivisten wegen PRISM & Co vor das Brandenburger Tor zogen: die Überwachung der (heute globalen) Kommunikation ist ungefähr so alt wie die Erfindung der Geheimdienste. Meine Kollegin Isabelle Fischer hat in diesem Blog bereits auf die Diskrepanz zwischen der gefühlten Empörung einerseits und der Bedeutung des Themas für die Wahlentscheidung andererseits hingewiesen. Wie sollen sich die Spitzenkandidaten ernsthaft zu einem Thema positionieren, das die Sicherheit der Bundesrepublik betrifft, während gleichzeitig deutsche Dienste wichtige Erkenntnisse für die Terrorabwehr von unseren amerikanischen Partnern erhalten? Und auch dem letzten Wähler dürfte klar sein, dass die Bundesregierung gar keinen Handlungsspielraum bei der Regulierung von US-Geheimdiensten hat.
Bild: CC BY 3.0 Miriam Guterland
Eine Drohne macht noch keinen Wahlkampf
Für einen kurzen Moment sorgte das Drohnendebakel EuroHawk für Aufregung. Immerhin konnte ein ganzer Untersuchungsausschuss davon leben. Dennoch, der Minister überlebte den Absturz des strategischen Rüstungsprojekts. Am Ende reichte es immerhin für einige schöne Wahlkampfplakate und einen Drohnenabsturz bei den Piraten, allerdings nicht zur Mobilisierung der eigenen Truppen. Weder konnte die Schuld am Scheitern des Projektes eindeutig einem Lager zugeschrieben werden, noch ist für eine sicherheitspolitische Auseinandersetzung im Wahlkampf der außenpolitische Kontext wie zu Zeiten des Kalten Krieges gegeben.
Was ist dem Wähler der Euro wert? Im Jahr 5 der Banken-, aka Finanzmarkt-, aka Haushalts-, aka Wirtschaftskrise kann bei diesem Thema eigentlich das Potenzial für einen Wahlkampf und einen Ermüdungsbruch für die Politik vermutet werden. Die Gründung der Alternative für Deutschland (AfD) sorgte sicher für Unruhe. Aber die Europapolitik, die seit Jahrzehnten parteiübergreifend organisiert wird, kann das nicht beeinflussen. Für mehr als ein wohliges Schaudern ob der Lage in Südeuropa scheint es beim Wähler nicht zu reichen.
Kein Thema nirgends
Bleibt die Energiepolitik. Einst das Lieblingsthema der Grünen, bei dem es der Partei gelang, ein positivistisches, technokratisches Zukunftsbild durch einen angstbesetzten Risikodiskurs zu ersetzen und damit die dominierende Deutung zu liefern. Mindestens in den letzten vier Wahlkämpfen taugten energiepolitische Fragestellungen zur Polarisierung und Differenzierung. So konnten sich die Bürger hinter der einen oder anderen Position versammeln. Am Ende gewannen aber immer die Grünen.
Mittlerweile ist aus der Energiepolitik eine Energiewende geworden und die Grünen haben ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal verloren. Selbst das aktuell aussichtsreichste Aufregerthema „Fracking“ bietet keine Wahlkampfnahrung. Ihm fehlt schlicht die überregionale Relevanz, zudem sind sich Politik, Wirtschaft und Bürger einig: Umweltschutz steht an erster Stelle – wo ist da die wahlkampf-entscheidende Kontroverse?
Kandidaten wichtiger als Parteien?
Was aber bleibt, wenn Themen und Positionen annähernd deckungsgleich sind, der Differenzierungsrad dem „normalen“ Bürger nicht vermittelbar scheint oder Aussagen wie in einem Wimmelbild der Meinungen verschwimmen?
Wahlkämpfe der vergangenen Dekade konzentrierten sich zunehmend auf die Kandidaten, oder wie es Wahlkampfexperte Frank Stauss in der Zeit formuliert:
„Ein Kompetenzteam hat noch nie eine Wahl entschieden, die muss Steinbrück schon selbst gewinnen.“
Authentizität der Spitzenkandidaten wird damit zu einem der wichtigsten Faktoren für den Wahlkampf. Darum ist es nicht nur wichtig, dass „die Kampagne zum Kandidaten passt“, sondern auch, dass die Erwartungshaltung der Wähler an den Kandidaten verstanden wird. Sowohl CDU als auch SPD treiben dies im Endspurt auf die visuelle (Finger-) Spitze.
tazcafé Tv-Duell 01.09.2013
Als eine der wichtigen Lehren dieses Wahlkampfes kann gelten, dass persönliche Authentizität zunehmend zu einem wichtigen Kriterium der Kommunikation insgesamt wird. Hier unterscheiden sich Wirtschaft und Politik nicht voneinander. Aktuelle Ergebnisse der Kommunikationsforschung von FleishmanHillard und Lepere Analytics zum Authenticity Gap zeigen, dass ein Auseinanderfallen der Kundenerwartung und der Kundenerfahrung zu einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust bei Unternehmen führen. Hier setzt modernes Reputationsmanagement an – für Unternehmen, für CEOs, wie auch für Kandidaten.
So gesehen konnten zwar beide Kandidaten beim TV-Duell punkten. Johan Schloemann von der Süddeutschen Zeitung bemerkte dennoch treffend, dass es Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einen ziemlich genialen Satz auf den Punkt brachte:
„Sie kennen mich“.
Endlich ein Fixpunkt im Wimmelwahlkampf. Nach Themen wird weiter gesucht.
Martin Becker
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