Es war eine der wichtigsten Innovationen des Obama-Wahlkampfes 2008: Die Verschmelzung von On- und Offline-Wahlkampf zu einem funktionierenden Ganzen. Die Formel hieß: Online motivieren und organisieren, offline mobilisieren und gewinnen. Die Botschaft dazu: 

It´s about you – es kommt auf DICH an.

Genau diese Mitmach-Strategie für die Straße führten auch die Parteien in Deutschland 2009 ein. Allerdings mit erheblichen Schwierigkeiten und der Einsicht, dass die amerikanische Basismobilisierung in Deutschland nur bedingt funktioniert – insbesondere, wenn sie nahezu getrennt neben dem eingeübten Fußgängerzonen-Klapptisch-Wahlkampf praktiziert wird.

Wie sieht es in 2013 aus? Welche Art von Mitmach-Wahlkampf führen die Parteien in diesem Jahr? Was tut sich an der Basis? Ich habe die Bemühungen nach drei Funktionen sortiert, die „Fußtruppen“ im Wahlkampf erfüllen können. Ein kursorischer Überblick:

1. Bewegung inszenieren: Du bist Kampagne

Der Charme einer on- und offline geführten Dialogkampagne ist es, das Gefühl zu erzeugen, als sei der Wahlkampf Teil einer breiten gesellschaftlichen Bewegung. Freiwillige geben einer in Deutschland oft sehr abstrakt geführten Kampagne ein Gesicht.  Das ist nicht zu unterschätzen. Auch in diesem Jahr wird die Basis deshalb konsequent dazu aufgefordert, Fotos und Videos von sich hochzuladen oder Geschichten zu erzählen, die dann Teil der offiziellen Kommunikation werden.

Die CDU bittet ihre Freiwilligen z.B. gerade unter dem Motto: „Nimm Deutschlands Zukunft in die Hand“, zupackende Hände bei der Arbeit zu fotografieren – in Anspielung auf Merkels berühmtes „ Bermuda-Dreieck“. Die Grünen wiederum starteten kürzlich einen Aufruf an ihre Basis, die alltäglichen Schwierigkeiten bei der Kita-Suche online aufzuschreiben und sie an die Parteizentrale zu schicken. Ob wir noch weitere dieser Aktionen sehen werden, bleibt vorerst offen. Obama zumindest hat das Stilelement „Tell your story“ bis zum Gehtnichtmehr ausgereizt.

Meine Bewertung: Nette Aktionen zur Unterstützung der eigenen Botschaft. Mehr aber auch nicht.

2. Spenden demokratisieren: Neue Wege beim Online-Fundraising

Etabliert hat sich hingegen in Deutschland das onlinebasierte Fundraising. Alle Parteien machen es derzeit möglich, dass man gezielt Plakate via Website spenden kann. Die Grünen weiteten diese Aktion auf das Finanzieren von Kinospots aus – vor Ort, im Lichtspielhaus der eigenen Wahl. Andere Parteien wie die CDU setzen auf Peer-to-Peer-Fundraising mit Baukasten-Spendenwebsite, die schnell in den eigenen Internetauftritt integriert ist.

Meine Bewertung: Die Plakatspende ist mittlerweile Standard und sicherlich eine gute Idee. Weil sie anlassbezogen ist. Die Parteien verschenken hier aber noch Potenzial. Obama trieb das Zweckspenden auf die Spitze, indem man sogar die Pizzen für Freiwillige in Nebraska an einem bestimmten Abend via Internet finanzieren konnte. Hier ist noch Luft nach oben und mehr Kreativität gefragt.

3. Mobilisieren vor der eigenen Haustür: Aktionen auf eigene Faust

Parallel zum bestehenden Fußgängerzonen-Wahlkampf versuchen alle Parteien ihre Unterstützer individuell per online vor die Haustür zu schicken. Die CDU ruft die Berliner Freiwilligen via Internet etwa zum kreativen Früh-Canvassing morgens vor der Frühschicht auf. Die SPD motiviert ihre Freiwilligen mit einer regelmäßigen „Aktion der Woche“ – zurzeit: Schreib eine Botschaft aus dem Wahlprogramm auf einen Umzugskarton und platziere ihn an einer Straßenecke Deiner Wahl. Die Grünen mobilisieren hingegen vor allem für Demonstrationen – z.B. für mehr Datenschutz („Stop Watching Us“). 

Die FDP hat – zumindest  quantitativ – am meisten zu bieten. Im Internet downloadbar ist ein ganzer Aktionskatalog mit zwei Dutzend Vorschlägen für individuelle Aktionen. So u.a. launige Nachbarschaftspartys, das Eröffnen einer Privatisier-Bar in der Fußgängerzone oder der Besuch von Grillplätzen mit „Kohle von der FDP“. Nun ja.

Meine Bewertung: Gute Ansätze. Nur wirkt manche Aktion doch sehr künstlich und aufgesetzt – von Agenturen ausgedacht. Wichtiger ist: Parteien müssen sich zunächst kulturell dieser neuen Art von Wahlkampf öffnen.

Denn der alte „Wir stellen uns mal vor den lokalen Supermarkt mit Stehtisch und Flyern“-Stil ist beharrlich.

Ein aktuelles Beispiel, das nicht gerade Mut macht: Die SPD bietet für meinen Stadtteil zwei Mitmach-Aktionen an: Betreuen eines „klassischen Wahlkampfstandes“ und „eine Kneipentour mit Wodka-Wackelpudding“. Letztere würde in den USA zumindest gar nicht gehen. 

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Dr. Maik Bohne

Dr. Maik Bohne

Maik Bohne ist promovierter Politikwissenschaftler. Seit Jahren beobachtet er internationale Wahlkampftrends. Als Projektleiter für die Initiative ProDialog befasste sich Maik Bohne mit dem Transfer US-amerikanischer Wahlkampfmethoden nach Deutschland. Aus dieser Arbeit resultierte das Buch: „Von der Botschaft zur Bewegung. Die 10 Erfolgsstrategien des Barack Obama.“ Seit Juli 2010 ist Maik Bohne bei der IFOK in den Bereichen Open Governance und Digitale Kommunikation tätig. Auf wahl.de wird er seinen Blick auf die Dialog- und Beteiligungsstrategien der Parteien richten.