Am 25. Mai ist es soweit: Wir wählen das neue Europaparlament. Die Angst vor einem weiter schwindenden Interesse der Bürger und einer niedrigen Wahlbeteiligung ist groß. Eben genauso groß ist die Angst vor einem Erstarken der europakritischen Parteien.

Es stellen sich die Fragen: Wie kann man die Wähler wieder für die europäische Idee begeistern? Wie weckt man Interesse für europäische Themen?

Nicht nur im Vorfeld von Wahlen haben die Parteien dafür ein gutes Mittel in der Hand: Die Beteiligung von Mitgliedern und auch Nichtmitgliedern an ihrer Positionsfindung. Zur Bundestagwahl haben fast alle Parteien dieses Mittel mehr oder weniger umfangreich und auch mehr oder weniger erfolgreich genutzt. Sie haben Bürger und Mitglieder bei ihren Wahlprogrammen mitreden lassen. Zur bevorstehenden Europawahl sieht es leider nicht so gut aus.

CDU setzt auf digitale Mitgliederbeteiligung

Zur Bundestagswahl konnten Bürger und Mitglieder sich an der Erstellung des Regierungsprogramms der CDU beteiligen. Dies geschah über Postkarten und digital. Alle Interessierten und im zweiten Schritt nur noch die Mitglieder hatten die Möglichkeit, Politikfelder zu diskutieren und darüber abzustimmen. Leider war bei der Aktion nicht klar, welche Berücksichtigung die Beiträge am Wahlprogramm fanden und die Abstimmung über das Regierungsprogramm der Union darüber war dann doch eher ein durchwinken.

Beim Europawahlprogramm ist dies nun anscheinend anders konzipiert: Mitspracherecht haben diesmal nur die Mitglieder der CDU.

Sie können über die interne Plattform CDUplus Ideen einbringen, Änderungsvorschläge, Ergänzungen oder Streichungen machen sowie Vorschläge anderer CDU-Mitglieder kommentieren und bewerten. Die fünf am besten bewerteten Vorschläge pro Kapitel soll CDU-Generalsekretär Peter Tauber in die Beratungen der Antragskommission einbringen. 

SPD verzichtet gänzlich auf Diskussionen

Die SPD bezeichnet sich nach Ihrem Mitgliedervotum gern als die Mitmachpartei und auch die Bürgerdialoge zur Bundestagwahl waren sehr breit angelegt. Beim Wahlprogramm für die Europawahl sieht das leider gänzlich anders aus. Es wurde auf Diskussionen verzichtet. Der Leitantrag des Parteivorstands wurde ohne Änderungsanträge abgenickt. Peter Tauber fand im Vorfeld des Europaparteitags der SPD bereits eindeutige Vorzeichen für die SPD-Strategie:

Bedenklich war es auch, dass Sigmar Gabriel die 13 Delegierten, die zum Leitantrag sprechen wollten, darum bat, ihre Redewünsche zu überdenken, da ja viele Genossen noch ihren Zug nach Hause schaffen müssen. Dass er und der Spitzenkandidat Martin Schulz ihre Redezeit kurzerhand verdoppelten, hat da wohl eine gewisse Rolle gespielt. Rita Müller-Hilmer, Demoskopin vom Umfrageinstitut Infratest, warnte auf der SPD-Vorstandsklausur am Anfang des Monats:

„Die SPD hat ein chronisches Mobilisierungsproblem.“

Im Hinblick darauf hätte man andere Zeichen setzen können. Mitmachpartei und Basisbeteiligung sieht anders aus. 

Grüne übertreffen DIE LINKE mit Änderungsanträgen

Bei den Grünen lief das genau anders herum: Die Delegierten wurden auf dem Europaparteitag vom Präsidium eindringlich aufgefordert, Redebeiträge zum Europawahlprogramm abzugeben, da sich noch zu wenige gemeldet hatten. Mit über 600 Änderungsanträgen zeigten die Grünen aber mal wieder die größte Diskussionsfreude unter den Parteien. Allerdings scheiterten die Grünen mit ihrer europaweiten Vorwahl der Spitzenkandidaten. Lediglich 22.000 Stimmen wurden bei der „Green Primary“ online abgegeben. Dennoch sind solche Experimente digitaler Demokratie wünschenswert und notwendig.  

Diskussionsfreude beweisen auch die Mitglieder der Linken. Zum Leitantrag des Parteivorstands gingen über 400 Änderungsanträge ein. Wie zur Bundestagswahl haben die Mitglieder die Möglichkeit, diese online über eine Beteiligungsplattform zu stellen. 300 davon wurden laut einem Sprecher bereits übernommen, über die restlichen 100 stimmen die Linken am Wochenende ab.

Die CSU will mit der Verabschiedung ihres Europawahlprogramms noch bis nach Ostern warten. Ein Antrag soll kurz vorher auf einer Klausurtagung verfasst werden. Dies zeugt leider, wie auch bei der Bundestagwahl, nicht gerade von einem großen Interesse an Beteiligungsmöglichkeiten.

Kein Bürgerdialog, kaum Online-Teilhabe

Keine der Parteien setzt also auf Bürgerdialoge bzw. die Beteiligung von Nichtmitgliedern. Nur die CDU und ansatzweise DIE LINKE probiert es mit Online-Teilhabe während die SPD fast gänzlich auf Diskussionsprozesse zum Europawahlprogramm verzichtete.

Wer mehr Akzeptanz und Engagement für Europa will, der sollte hier nicht sparen. Da wirkt die bereits 2010 formulierte Vermutung der SZ nicht mehr abwegig, dass die Schatzmeister der Parteien die Europawahl eher zum Geldverdienen nutzen, einfach weil die Wahlkampfkostenerstattung regelmäßig höher sei als die tatsächlichen Ausgaben. Hoffen wir mal, dass dies nicht der Grund für das geringe Engagement der Parteien – auch im Vergleich zur Bundestagswahl – ist. Denn Bürger und Mitglieder haben ein Recht auf Mitmachen und nicht nur Zuschauen!

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Sebastian Schmidtsdorf

Sebastian Schmidtsdorf

Head of PR bei Civey
Bei wahl.de seit 2013. Mitherausgeber wahl.de-Buch #BTW13 Themen, Tools und Wahlkampf. Leiter Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit bei Civey. Leidenschaftliche "fragerei by dorfgeschrei".
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