2014 suchten erstmalig CDUler Kontakt zur AfD. Damals provokant, sorgt dies heute für Entsetzen. Jetzt geht in Potsdam eine isolierte CDU-Frau auf politische Tuchfühlung mit AfD-Mann Gauland – und gab bereits ein gemeinsames Interview.

Gauland: Konservativ in rechten Kreisen?

Bis März 2013 war Alexander Gauland Mitglied in der CDU. Dann trat der Merkelkritiker aus der Partei aus, die er heute im Wahlkampf niederringen will. Die Nähe zu Konservativen der Union ging nie verloren, Erika Steinbach lobte kurz nach ihrem Austritt die Freundschaft zu dem Landesvorsitzenden der AfD in Brandenburg. Unter Bernd Lucke gehörte der Mann, der in der „Flüchtlingskrise“ sagte, man dürfe sich von „Kinderaugen nicht erpressen lassen“ und Nationalspieler Boateng rassistisch beleidigte, zum rechten Flügel der Partei. Unter Petry und mit einem Höcke in Thüringen, ist er heute dennoch dem konservativen, demokratischen Flügel zuzuordnen. Obwohl er in Potsdam lebt, tritt Gauland für den Wahlkreis Frankfurt (Oder) an, sein Einzug in den Bundestag über die Landesliste gilt nach bisherigen Umfragen als sicher.

Ludwig: Konservativ unter „68ern“

Die 48-jährige Saskia Ludwig ist seit 2004 Abgeordnete im Landtag Brandenburg. Für die Bundestagswahl kandidiert sie nun als Direktkandidatin für Potsdam und Mittelmark, wo sie auch CDU-Kreisparteichefin ist. Nach den aktuellen Umfragen liegt die SPD in diesem Wahlkreis vorn. Ludwig äußerte sich mehrmals kritisch gegenüber ihrer eigenen Partei und forderte ein Umdenken in der Asylpolitik. Von April 2010 bis September 2012 war sie Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, wurde jedoch wegen einer extremen Oppositionsarbeit innerparteilich stark kritisiert und gestürzt. Sie galt isoliert, gerade weil sie immer wieder inhaltlich die Nähe der AfD suchte. Gerade mit Landeschef Ingo Senftleben und Generalsekretär Steeven Bretz steht sie auf Kriegsfuß und dürfte die Partei schwer spalten können.

Gemeinsames Interview im rechten Blatt

Mehrmals gab Ludwig schon Interviews und schrieb Essays für das rechtskonservative Blatt „Junge Freiheit“. Nun gab sie mit Gauland ein gemeinsames Interview. Es ist eine Abrechnung mit dem bürgerlichen Flügel der CDU, mit der Regierung und vor allem mit Merkel.
Ludwig will als Kämpferin für Konservative wahrgenommen werden:„Ich stehe beharrlich für meine CDU – die nicht nur die Partei Merkels ist. Meine Kritik richtet sich hauptsächlich an die Abgeordneten im Bundestag, die Merkels Kurs folgen, obwohl sie ihn nicht gutheißen, statt ihn zu korrigieren.“ Die Partei sei vor den Alt-68ern eingeknickt.

Gauland’s „Fahnenflucht“

Ein Parteiaustritt und politische Umorientierung, die Wahl Gaulands, kommt für Ludwig jedoch nicht in Frage. Die AfD beschreibt sie als „ein Sammelbecken von Konservativen, Glücksrittern und Radikalen“. Sie sei keine Alternative, wegen der Selbstdarsteller wie dem Ex-FDP- Mann Marcus Pretzell, den Ludwig als eher „klassischen Karrierist“ denn Konservativer beschreibt.

Kritik an Gauland

Gauland, trotz der inhaltlichen Nähe, wirft Ludwig Fahnenflucht vor, als er die CDU verließ, um die AfD zu gründen. „Wären Sie und andere in der Union geblieben, lieber Herr Gauland, wären die Konservativen dort schon heute sehr viel weiter“, Durch die AfD hätten Parteifunktionäre in der CDU den Meinungsspielraum der Konservativen scheinbar eingegrenzt. Gaulands Weggang sei ein „Bärendienst für all jene“ gewesen, mit denen er zuvor etwa im Berliner Kreis versucht habe, „für unsere Ideale zu kämpfen“. Mit einem Blick auf Höckes Holocaus-Äußerungen kritisiert Ludwig zumindest die Demokratiegefährdung in der AfD. Ob Gauland „nicht jemandem Vorschub leistet, der versucht, die Partei über einen demokratischen Punkt hinaus zu schieben“.

AfD befeuert „r2g“

Nach Ludwig ist die AfD, die Konservatismus und Rechtspopulismus miteinander vermische, der Grund, weshalb r2g eine tatsächliche Option in Deutschland sein würde. Die Konsequenz darin sieht sie in einem persönlichen Unglücksszenario: „Umwandlung unseres Landes in eine multikulturelle Einwanderungsgesellschaft“.

Rückkehr verlorener Söhne?

So ganz hat Ludwig die Hoffnung allerdings nicht aufgegeben. Sie hofft auf eine Spaltung der AfD und die Rückkehr der Konservativen zum Mutterschiff Union. „Vielleicht bekommt die CDU anschließend eine Flut von Neuanmeldungen all derer, die sich ihrer Wurzeln zurückbesinnen“. In den kommenden Wochen und Monaten würden „die konservativen Wähler wieder ihren Weg zurück zu uns finden“. Denn das konservative Element in der CDU erfahre seit geraumer Zeit eine Renaissance.

Warum dieses Interview?

Auf den ersten Blick mag man sich fragen, warum ein Mann wie Gauland sich ein derart „kritisches“ Doppelinterview angetan hat. Doch hinter aller Kritik Ludwigs versteckt sich die Sehnsucht nach einem Gleichgesinnten in der eigenen Partei und die Anerkennung Gaulands politischer Fähigkeiten. Außerdem kommen sich die beiden, dank verschiedener Wahlkreise, nicht tatsächlich ins Gehege.

Gauland, der nie eine Mögichkeit verpasst hat, sich laut an seiner alten Partei abzuarbeiten, kämpft mit Ludwig für ein gemeinsames Ziel: Die CDU wieder konservativer zu machen. Eine Distanz vom Merkel-Kurs und eine gemeinsames Interview, dass ihre politische Haltung auf einem Schnittpunkt eint, sind ein Anfang im Ringen um konservative Wähler und eine rechte Grundstimmung in der CDU.

Linke empört über gemeinsames Interview

Das Interview führte zwangsläufigen Reaktionen: Andrea Johlige, Mitglied des Landtags in Brandenburg für die LINKE zeigte sich wenig überrascht über die rechts konservative Annäherung.

Tobias Schulze, der stellvertretende Vorsitzende der LINKE Berlin, reduzierte dieses Phänomen auf Brandenburg.

Norbert Müller, MdB, warb derweil weiter für ein weltoffenes Potsdam.

Die Märkische Zeitung wertete das Interview als weiteren Schritt Ludwigs Richtung Isolation.

Generalsekretärin der SPD Brandenburg, Klara Geywitz, sagte, dass sich Ludwig mit ihrerm Verhalten weiter ins Aus schiebe.:„Gegen die Kanzlerin zu sein und für die CDU in den Bundestag zu wollen, passt nicht zusammen. Mit ihrer speziellen politischen Sicht auf die Welt ist Saskia Ludwig offensichtlich politisch heimatlos geworden.“

Der Traum von Schwarz-Blau?

Die erste Hemmschwelle ist in der brandenburgischen CDU jedenfalls genommen. Dass sich Ludwig als merkelkritisch als Bundestagskandidatin durchgesetzt hat und nun offensiv an der Seite Gaulands wirbt, könnte eine Annäherung voraussagen. Doch weder landes- noch bundespolitisch sollte man davon ausgehen, dass Ludwig die Grundstimmung der Union beeinflussen könnte. Gerade mit ihrer Haltung gegen Merkel sollte sie bei Spitzenpolitikern auf Gegenwind stoßen. Und solange sich Ludwig gegen den rechten Flügel der AfD und Höcke stellt, ja, der rechten Partei sogar das Durchhaltevermögen abspricht und Mitglieder abwerben will, wird es auch keine gemeinsame Vision von schwarz-blau geben.

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Helena Serbent

Helena Serbent

Seit ihrem Volontariat bei Media Partisans arbeitet Helena Serbent für „wahl.de“ und moderiert bei ALEX Berlin die Talksendung „Kopf.Hörer“. Ihre Schwerpunkte sind Politik und Digitalisierung.