Martin Schulz ist nun Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl und Anwärter auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Sein Amt als Präsident des Europäischen Parlaments will er nicht, wie es die Europäischen Grünen, Liberalen und Konservativen fordern, niederlegen. Die Diskussion hat  durchaus ihre Berechtigung, denn in der Geschichte der EU gab es noch nicht den Fall, dass die Bestimmung des Kommissionspräsidenten zumindest indirekt mit der Wahl zum Europaparlaments verknüpft wurde. Hier sollte eine Verständigung unter den Parteien stattfinden, um zukünftig Konflikte zwischen der Ausübung von Amt und Mandat bzw. Kandidat zu vermeiden. 

Ganz nebenbei ist aber auch ein Aufschrei gegen den Rollentausch von Martin Schulz bei Twitter entbrannt. Er schrieb seinen bisherigen Account einfach um: Aus dem Präsidentenprofil wurde das des Spitzenkandidaten und aus der Beschreibung "President of the European Parliament" die Angabe "I am the @PES_PSE candidate for President of the @EU_Commission in #EP2014". Für seine Funktion als Parlamentspräsident wurde ein neuer Account angelegt.

Praktischerweise hat Martin Schulz nun knapp 80.000 Follower auf seinem "Wahlkampf-Account". Und hier ist wohl auch der Stein des Anstoßes:

Doch was heißt das nun? War es sein Fehler, einen zweiten Account als EP-Präsident anzulegen? Hätte er seinen Account, der bereits bestand, als er noch nicht Präsident war, nicht mehr nutzen sollen, wie es im Moment Sigmar Gabriel macht? Ist diese Rollenteilung überhaupt sinnvoll in sozialen Medien? Wenn man zum Beispiel an den Infos der Bundeskanzlerin interessiert ist, dann klickt man bei Angela Merkel bei Facebook auf Like. Dort bekommt man natürlich Informationen von der Vorsitzenden der CDU aber auch Informationen in ihrer Rolle als Bundeskanzlerin:

Eine Trennung erfolgt hier auch nur sehr unscharf. Wenn man den Spieß mal umdreht, könnte man ja sagen, der Account von Angela Merkel hat nur so viele Fans, weil als Berufsbezeichnung bei Facebook Bundeskanzlerin angegeben ist. 

Ämter und Mandate werden nun mal von Personen ausgefüllt. Diese kommunizieren. Twitter und Facebook sind nicht wie Briefpapier, dass man einfach wechseln kann, wenn man in die andere Rolle schlüpft. Wir sollten daher auch damit leben können, dass Social Media Accounts von Personen genutzt werden, die verschiedene Rollen spielen und wenn sie dadurch viele Fans und Follower sammeln, dann ist das auch ihrer Position geschuldet – wir sollten es ihnen gönnen. Neid ist hier fehl am Platz.

Der digitale Drahtseilakt würde wohl nur gelingen, wenn jedes Amt einen eigenen Social Media Account bekommt und dieser dann noch vom Presseteam befüllt wird – dann wird es aber auch langweilig. Wer will schon zig Accounts wie dem vom Regierungssprecher, so sinnvoll er auch erscheint.

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Sebastian Schmidtsdorf

Sebastian Schmidtsdorf

Head of PR bei Civey
Bei wahl.de seit 2013. Mitherausgeber wahl.de-Buch #BTW13 Themen, Tools und Wahlkampf. Leiter Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit bei Civey. Leidenschaftliche "fragerei by dorfgeschrei".
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