Der Wahlkampf steckt tief im Sommerloch. Bundeskanzlerin Merkel ist drei Wochen in den Sommerurlaub verschwunden (für amerikanische Politbeobachter übrigens unvorstellbar – so dicht vor der Wahl). Auch das Thema NSA/PRISM lässt zwar eine Flamme für die Opposition lodern. Die Umfragen zeigen bisher aber: Die Mehrheit der Deutschen nimmt das Thema erstaunlich gelassen hin. Die Zustimmungswerte der Parteien verharren im selben Korridor, in dem sie sich de facto seit 2009 befinden.
Die Wahlkämpfer in Deutschland – insbesondere im Lager der Opposition – suchen händeringend nach Zuspitzung, nach Kontrast, nach Emotion. Aber: Wo ist das große Thema, das die Unterschiede zwischen den Lagern auf den Punkt bringt? Wo ist der Prof. aus Heidelberg, mit dem Schröder das unterschiedliche Staatsverständnis von SPD und Union damals so schön pointierte? Erstaunlich: Kontraste, die man herausstreichen könnte, gibt es genug: Mindestlohn, Bürgerversicherung, Bankenreform, EU. Allein: Es fehlt die klare Gegenüberstellung.
Dabei ist der Kontrast – und das wird so oft verkannt – der entscheidende Treibstoff für die viel beschworene Mobilisierung an der Basis. Die Parteien können noch so gute Dialog- und Peer-to-Peer-Wahlkampfstrukturen aufbauen. Wenn die Themen, die Aufreger, die Gesprächsanlässe fehlen, dann ist (fast) alles nichts. Dann ist zwar viel Professionalität, aber wenig Leben. Diese Anmerkungen hier sollen nicht missverstanden werden. Es engagieren sich auch in diesem Wahlkampf wieder sehr viele Ehrenamtliche, die in den Fußgängerzonen stehen oder von Haus zu Haus gehen. Das ist lobens- und bewundernswert.
Das Problem: Will man einen Wahlkampf von unten mit breitflächiger Mobilisierung gewinnen, dann braucht man eine motivierte, aufgeregte, kämpfende Basis an Freiwilligen. Die USA machen es vor. Hier geht es in Wahlkämpfen für viele Menschen ums Ganze: Um Homo-Ehe, um Zugang zu Krankenversicherung, um mehr Religion oder weniger Staat. Das alles sind in den Vereinigten Staaten emotional besetzte Themen, die Leiden (und damit Leidenschaften) entfachen. Sie treiben Bürger dazu an, ihre wertvolle Freizeit für den Wahlkampf zu opfern.
In Deutschland sieht das bekanntlich anders aus. Jetzt kann man sagen: Gut so. Wir haben viele Fragen in der Politik versachlicht, entemotionalisiert, entschieden. Ratio kommt bei uns vor Emotio. Nur: Dann darf man sich keine allzu hohen Ziele für die Wählermobilisierung setzen, keine zu hoch gegriffenen Vorgaben für die Zahl der Freiwilligen machen, nicht den Zauber des Basiswahlkampfes beschwören, der ein Rennen noch herumreißen kann. Man muss dann ehrlich sein: Menschen sind dabei, wenn es für oder gegen etwas zu kämpfen gilt. Sie bleiben zu Hause, wenn sie das Gefühl haben, dass es nichts Fundamentales zu entscheiden gibt.
Deshalb zum Schluss noch einmal der Ruf hinaus in die Wahlkampfzentralen:
Kontraste! Bitte! Jetzt!
Nicht erst zwei Wochen vor Wahl …
Dr. Maik Bohne
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