Spätestens seit Barack Obamas campagna furiosa wissen wir auch in Deutschland: Kein Online-Wahlkampf ohne Offline. Und vice versa. Auch Sigmar Gabriel hat diese Weisheit mittlerweile verinnerlicht. Auf dem SPD-Konvent rief er kürzlich motiviert in den Saal:
„Das wichtigste technische Hilfsmittel im Wahlkampf ist nicht das Internet,
es ist der Klingelknopf. Mehr brauchen wir nicht.“
So einfach ist das also.
In der Tat hat sich die SPD in 2013 Einiges vorgenommen. Der Klapptisch in der Fußgängerzone hat zwar noch nicht ausgedient. Die Zukunft des Wahlkampfs sieht die SPD aber an der Türschwelle geneigter Wähler. Um zu lernen, wie man einen solchen Häuserwahlkampf professionell und möglichst ressourceneffizient (ganz entscheidend!) angeht, ist Andrea Nahles intensiv in den USA unterwegs gewesen. Dort hat sie sich mit Canvassing-, Direct Mail-und Targeting-Experten getroffen und sich berichten lassen, was die hochdiversifizierte Beraterbranche dort drüben so kann und macht.
Die SPD – häufig gezeichnet von basaler Wahlmüdigkeit – setzt nun darauf, den Wahlkampf von unten, an der Basis, an den Haustüren zu gewinnen. Mit positiven Erfahrungen aus Tests in ausgewählten Bundesländern ausgestattet, will sie mit der Mobilisierung unter der öffentlichen Wahlkampfoberfläche die nötigen Stimmen mobilisieren, um Angela Merkel doch noch zu besiegen und Rot-Grün auf der Wahlkampfzielgeraden zu realisieren.
Der Freiwilligen-Ansatz – im Netz unter https://mitmachen.spd.de mitzuerleben – ist durchaus richtig und sinnig. Nur stößt er in Deutschland auf deutliche Grenzen.
- Das Targeting wird von einem (zum Glück) sehr rigiden Datenschutz begrenzt. Fein ziselierte Lifesytleanalysen und individualisierte Wähleransprachen wie sie in den USA möglich und machbar sind, haben in Deutschland keine Chance auf Umsetzung. Zwar gibt es mittlerweile Anbieter, die auf Straßenzug-Ebene Wahlaffinitäten ermitteln können. Die Streuverluste für die Hausbesucher sind aber immer noch groß.
- Es ist kein Geheimnis: Die Wahlkampfkultur hierzulande ist eine völlig andere als in den USA. In den Vereinigten Staaten ist Wahlkampf Volkssport, in Deutschland ein notwendiges Übel. Freiwilligenbesuche sind in den USA akzeptiert, bei uns sind sie auf einer Stufe mit dem Besuch von missionarischen Religionsgemeinschaften – es sei denn der Kandidat erscheint selbst.
- Der Enthusiasmus in Übersee ist deutlich höher als in Deutschland. Angetrieben von motivierender Polarisierung können die Parteien und Kandidaten in den USA auf stattliche Heere von Freiwilligen zurückgreifen. In Deutschland sieht die Situation doch etwas beschaulicher aus. Es gibt zwar viele Engagierte. Für einen flächendeckenden One-on-One-Wahlkampf reicht das aber nicht aus.
Wir werden sehen, wie es für die SPD ausgeht. Haben wir Geduld. Die alte Tante geht hier sicher den richtigen Weg. Ob er allerdings unter den Bedingungen des Wahlkampfjahres 2013 funktioniert, ist offen. Seien wir es auch.
Dr. Maik Bohne
Neueste Artikel von Dr. Maik Bohne (alle ansehen)
- Wahlkampf 2013 – Was bleibt? - 18. September 2013
- Wahlabend mit Überraschungen? Ein schräger Blick in die Wundertüte des Wahlausgangs - 12. September 2013
- Wahlpflicht für Deutschland? - 29. August 2013
0 Kommentare
Kommentar schreiben