Die TU Ilmenau hat eine eigene Studie zur Nutzung von Facebook durch Politiker verfasst. Als Ergebnis wird dort vermeldet, dass nur wenige Mandatsträger über ein "offizielles Facebook-Profil" (wir wissen nicht genau, was das bedeutet) verfügen. Zahlreich und relativ ungeprüft wurde diese "Erkenntnis" in verschiedensten Medien veröffentlichen. Laut unseren Daten ist das Studienergebnis nicht nur in Zahlen falsch, vielmehr zeigt sich der gegenteilige Trend!

Die richtigen Zahlen: 63% aller MdB bei Facebook

Laut der fehlerhaften Studie sind "nur 146 Mitglieder des Bundestags" auf Facebook vertreten sind. Die täglich recherchierten und aktualisierten Datenbestände auf wahl.de finden hingegen 394 Parlamentarier mit Facebook-Account (was wir damit meinen steht hier). Das sind immerhin 63 Prozent des gesamten Parlaments – für uns ein klares Zeichen für die Relevanz dieser Plattform.

Facebook-Fraktion auch in den Landtagen stark vertreten 

Als weitere Beispiele werden unter anderem die Landtage von Thüringen und Schleswig-Holstein "genauer" untersucht. Auch auf hier weichen die Zahlen stark von unseren geprüften Daten ab: In Thüringen verzeichnet wahl.de 34 MdL-Profile (die TU hat sieben entdeckt), in Schleswig-Holstein können wir 39 Abgeordnete zu Facebook-Freunden machen (in Ilmenau gelingt das nur bei sechs Mandatsträgern). Die Facebook-Fraktion in den Landtagen hat somit zwar keine Mehrheit, aber mit 38 beziehungsweise 41 Prozent doch eine beeindruckende Zahl an Sitzen.

Offizielles Facebook-Profil – was meinen die nur? 

Nun könnte es sein, dass die besagte Studie nur Facebook-Fanseiten von Politikern gezählt hat. Das wird leider aus der Mitteilung nicht ersichtlich – die Studie zu dem gern diskutierten Online-Thema ist leider nicht im Internet auffindbar. (Warum eigentlich nicht?)

1. Update: Auch wenn die Autorin (siehe Kommentare) sich darauf beruft, ihr Untersuchungsfeld nur auf Politiker Fan-Pages beschränkt zu haben, muss erwähnt werden, dass auch Facebook-Profile zur politischen PR genutzt werden, wie wir im folgenden Absatz noch einmal genauer ausführen. DIe Studie ist hier zu finden

Profil oder Page = unterschiedlicher Dialog? 

Selbst wenn die TU Ilmenau eine andere Definition von "aktiv" bzw. "Facebook-Profil" hat als u.a. wahl.de – die Annahme, dass nur Politiker mit einer Fanpage den Dialog mit ihren Wählern suchen ist unbestreitbar zu kurz gefasst. Über die kleinen Unterschiede, Vor- und Nachteile von Fan-Page, Politiker Fan-Page, Profil, alter Gruppe und neuer Gruppe kann man sich als "Social Media Berater / Experte / Consultant / Mentor" lange und intensiv streiten. In der Wahrnehmung der Nutzer ist eine Präsenz so gut wie die andere, solange sie überhaupt existiert. Alle Variationen auf Facebook haben irgendwo einen Kommentar-Knopf.

Faith-Book? 

Vor zwei Jahren wurde noch der Twitter-Sau durchs Dorf gefolgt, nun ist mal wieder Facebook en vogue … Anscheinend muss man immer wieder erwähnen, dass die Social Media Fraktion in den Parlamenten verschiedene Flügel zusammenbringt: In Deutschland kann neben Facebook noch eine große Anzahl anderer Plattformen eine relevante Aktivität im politischen Bereich vorweisen – sowohl nach innen gerichtet als auch im Dialog mit Bürgern, Wählern, Unterstützern.

Selbst totgewähnte Angebote wie die VZ-Netzwerke oder Wer-Kennt-Wen erfreuen sich regional hoher Beliebtheit und Nutzung. In Thüringen ist z.B. VZ ein Mehrheitsbeschaffer, im Südwesten der Republik hingegen bildet Wer-Kennt-Wen die Speerspitze vieler Online-Präsenzen von Abgeordneten und Kandidaten.

Auch wenn Facebook sicher aus vielfältigen Gründen gerade am meisten, schnellsten, breitesten wächst; die für Dialog und Interaktion notwendigen Basis-Mechanismen gibt es überall. Und die Politiker sind eben da, wo sie ihre Wähler finden. Nicht zuletzt auch auf YouTube, XING oder weiterhin auf MySpace.

Es werden immer mehr! 

Auch wenn die TU Ilmenau anderes suggeriert: die Social Media Welle rollt – und wächst: im 2010 neu gewählten Landtag von Nordrhein-Westfalen nutzen 118 von 181 Parlamentariern Facebook (65 Prozent). Und immerhin 48 MdLs sind bei Twitter präsent (viele auch aktiv).

Anmerkung der Redaktion:

Die o.g. Zahlen finden sich alle auf wahl.de. Wir recherchieren täglich weitere Daten, beziehen Informationen von Abgeordneten und Parteien. Dabei sind wir immer bemüht, diese Daten so einfach wie möglich zugänglich zu machen. Für Universitäten, Medien, Studenten, Journalisten und andere Interessierte helfen wir zudem regelmäßig und gerne, auch ganz gezielt Datensätze zu Untersuchungszwecken zu bekommen. Einfach mal fragen.

(Autoren: Anna Winkler, Markus Winkler)

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