Angela Merkel ist eine außergewöhnliche Politikerin. Wenn sie am 22. September wiedergewählt werden sollte, dann wäre sie die erste Politikerin in einer modernen Demokratie, die dies ohne großen Social-Media-Wahlkampf vollbracht hat. Die Bundeskanzlerin hat sich Anfang des Jahres entschieden, kein Wahlkampf-Twitter-Konto aufzusetzen. Sie ist damit die einzige G8-Regierungschefin, die kein persönliches Twitter-Konto unterhält. Auf Facebook, wo sie nun 358.000 Likes hat, war sie im Wahlkampf ebenfalls nicht sonderlich aktiv und hat lediglich sechs Posts mit ihrem Kürzel „/am“ signiert.
SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück hat im Dezember 2012 gleich mit einem „Twitterview“, einem Interview über Twitter, und vor einer Woche mit einem „Live Twitter Townhall“, einer einstündigen Fragestunde, getrumpft. Auf Facebook hat er gerade einmal 50.000 Fans, war aber auch nicht persönlich aktiv, sondern ließ – wie viele deutsche Spitzenpolitiker – seinen Account von Mitarbeitern betreuen.
Im Jahre 2013 lässt sich über soziale Medien in Deutschland noch kein Wahlkampf gewinnen, deshalb sind ja auch nur wenige Politiker online aktiv. Eine Studie von Wahllos zeigt, dass Politiker über soziale Netzwerke nur einen Bruchteil des deutschen Wahlvolkes erreichen können. Darüber hinaus wollen die deutschen Wähler auch gar nicht von Parteien angetweeted werden oder über Facebook Wahlkampfslogans liken. 61 Prozent der deutschen Wähler geben sogar an, soziale Netzwerke nicht zu nutzen.
Social Media und das Internet sind in Deutschland auch 2013 tatsächlich immer noch „Neuland“, wie es Angela Merkel so treffend auf den Punkt gebracht hatte. Doch gerade dieses Neuland gilt es zu erobern und zu besetzen, nicht nur im Wahlkampf, sondern auch über den 22. September hinaus.
In den Vereinigten Staaten wurde Wahlkampf von beiden Lagern auch im Internet und auf sozialen Netzwerken betrieben. Barack Obamas Wahlkampfteam hat gezielt alle soziale Netzwerke bespielt. Sein Twitter-Konto wurde bereits im April 2007 aufgesetzt, um den Wahlkampf 2008 zu gewinnen. Er selber hat seinen ersten Tweet erst 2010 versendet. 2012 wurden seine Facebook-Fans gezielt genutzt, um deren unentschlossenen Freunde für seine Kampagne zu gewinnen. Durch seine 36 Millionen Fans und deren Freunde konnte er 95 Prozent der wahlberechtigten US-Bürger erreichen. Die Krönung seiner Online-Kampagne kam am 7. November 2012: das Siegerbild, das bereits Wochen vorher ausgewählt wurde, ist das am meisten getweetete, gesharete und gelikte Bild der erst zehnjährigen Social-Media-Geschichte geworden.
Seit seinem Wahlsieg ist das @BarackObama-Konto zwar weiterhin aktiv, aber die Tweets haben an Social-Media-Power verloren und werden im Durchschnitt nur 2.300-mal retweeted. Der Papst hat da bereits weitaus mehr Erfolg, seine spanischsprachigen Tweets werden im Durchschnitt 11.000 Mal von seinen Followern weitergetweetet, wie man der Twiplomacy-Studie von Burson-Marsteller entnehmen kann.
Es ist schade, dass viele Politiker soziale Medien nur im Wahlkampf entdecken und dann ihre Online-Aktivitäten einstellen wie zum Beispiel der französische Präsident François Hollande (@FHollande) und die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff (@DilmaBR). Da darf man Angela Merkel geradezu loben, dass sie konsequenterweise diesen Trend im Wahlkampf nicht mitmachen will.
Doch die neue Kanzlerin oder der neue Kanzler müssen es wagen, neue Wege zu gehen. Sie sollten wegweisend die neuen Kommunikationskanäle wie Twitter, Facebook und Google+ nutzen und auch über soziale Netzwerke regieren, um sich direkt an die Bevölkerung wenden. Meine Stimme gehört deshalb jedem Politiker, der sich in das Neuland wagt. Meine Stimme gehört Twitter und Facebook!
Matthias Lüfkens
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- Meine Stimme für Twitter & Facebook - 11. September 2013
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