Wir streiten uns grad auf Facebook über den Steuergedenk-Tag. Das ist der Tag, an dem wir Bürgerinnen und Bürger nicht mehr für die Steuer, sondern für uns arbeiten, behauptet der Bund der Steuerzahler.
Der einfache Gedanke, der mir seit jeher kommt, wenn jemand sich gegen Steuern und Abgaben positioniert, weil jemand einen Gegensatz sieht zwischen „dem Staat“, „der Regierung“ und uns „Menschen“ ist, dass dieser Gegensatz einfach nicht existiert, außer, wir halten es mit Hegel: „der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee“. Für den hatte Staat wenig mit uns Menschen zu tun. Oder mit Gesellschaft.
Der Satz „ab jetzt in die eigene Tasche und vorher für den Staat“ manifestiert ein Staatsverständnis, das ein Gegeneinander von Staat und Gesellschaft impliziert. Etwas, das wir seit dem Biedermeier und spätestens nach dem zweiten Weltkrieg mit der Einführung einer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie überwunden haben. Es ist also PR des letzten Jahrtausends.
Seit einigen Jahrzehnten sind wir demokratisch organisiert – und repräsentativ. Und wenn der Staat Geld einnimmt, dann tut er das für die Daseinsvorsorge oder Finanzierung gesellschaftlich nötiger Allgemeingüter. Unsere Steuern zahlen wir also konkret für Bildung, Sicherheit, Infrastruktur. Wer da was gegen hat, kann einfach die Nutzung von Straßen, Schulen, Unis, Bibliotheken, Theatern, Krankenhäusern, Gesundheitsversorgungsinstitutionen, Autobahnen (noch), Opern, Parks, Seen, Schwimmbädern sein lassen.
Das wäre kaum möglich. Warum also diskutieren wir Steuern im gedanklichen Rahmen von Belastungen und negativer Auseinandersetzung? Weil BdS und andere Ideologen uns den Rahmen vorgeben. Weil selten Menschen so weit denken, aus der persönlichen Situation heraus zu abstrahieren und sich zu fragen, was eine Gemeinschaft denn zur Gemeinschaft macht.
Also ist das genau der Gedanke, nicht individuell und egoistisch zu argumentieren. Nur bei den Steuern, da tun wir das ganz schnell und sehen die Finanzierung allgemein verfügbarer Güter als persönliche Last. Weil es ums Geld geht?
Wenn wir versuchen, das Thema zu differenzieren, lande ich immer schnell bei einer Qualitäts- und Effizienzdebatte. Genau die sollten wir als Gesellschaft führen. Dazu sollten wir uns die Zeit nehmen, nicht ideologisch argumentieren und mal alles auf den Prüfstand stellen, was bisher so über Steuern und andere Abgaben finanziert wurde. Dafür haben wir ja aktuell einige Wahlprogramme zu lesen, die eine Entscheidung erleichtern.
Ich persönlich kann aber keine Partei wählen, die durchscheinen lässt, Steuern – also die Finanzierung gemeinschaftlicher Güter für die Gesellschaft – seien eine Belastung. Das tut derzeit die FDP mit ihrer Anti-Steuer-Kampagne. Um auch hier auf schon geführte Diskussionen zu verweisen:
Retweeted Herr-Hirn-Himmel (@Viel_Davon):
„Steuerzahler verdienen erst ab 19.07. Geld. Bis dahin sind es Steuern.“
Ja, zum kotzen, diese Straßen, Schulen, Ärzte, Kindergärten….
Posted by Christof Fischoeder on Tuesday, July 18, 2017
Denn die FDP argumentiert, dass wir erst an dem als Stichtag ausgerufenen Tag in die eigene Tasche arbeiten, vorher für „den Staat“. Liebe Liberale, was habt Ihr denn für ein Staatsverständnis? Ist das mittelalterlich oder demokratisch repräsentativ? Sitzt ihr nicht in der überwiegenden Zahl der Landesparlamente? Seid ihr nicht genauso Teil des „Staates“ wie wir anderen „einfachen Bürger“?
Morgen ist der #Steuerzahlergedenktag. Bis morgen früh, um 3.27 Uhr, arbeitet jeder Bürger nur für Steuern und Abgaben –…
Posted by FDP on Tuesday, July 18, 2017
Wer lesen will, warum die Berechnungsgrundlage des Steuergedenktages komplett vermurkst ist, kann zum Beispiel ZEIT lesen.
Ich finde, gegen Steuern zu argumentieren entzieht der Gesellschaft ihre Basis, das Geld. Steuersünder sind eben nicht einfach Sünder, die mit einer Beichte Absolution erhalten, sondern verraten all die Menschen und deren finanzielles Engagement, die nicht Steuern hinterziehen. Denn die finanzieren ja den Anteil der „Sünder“, also der Steuerbetrüger mit. Wer also Steuern hinterzieht, beschädigt die Gesellschaft und die Demokratie. Steuerbetrug ist kein Kavaliersdelikt.
Warum aber macht der Bund der Steuerzahler ein so krummes Gedenken? Was ist deren Ziel? Steuern zu verhindern? Oder Steuern besser zu verteilen? Ich hoffe, es geht um letzteres. Sonst wäre der Steuergedenktag ja nur Populismus!
Christof Fischoeder
Neueste Artikel von Christof Fischoeder (alle ansehen)
- Steuergedenken – gegen Steuern sein ist antidemokratisch - 19. Juli 2017
- Fake News und Desinformation. Und wir. - 14. Dezember 2016
- Beat the Bot – oder was man gegen dumpfe Parolen und Hassreden tun kann - 28. November 2016
0 Kommentare
Kommentar schreiben