Zum ersten Mal hat das Statistische Bundesamt im letzten Jahr das Wahlverhalten der über 70 Jährigen bei einer Bundestagswahl erfasst. Die Untersuchungen zeigen die Bedeutung dieser Wählergruppe für den Ausgang von Wahlen und das Potential, das in ihnen für die Wahlkampfstrategien der Parteien liegt. 

Aufräumen mit Altersklischees

Fast 13 Millionen Menschen über 70 Jahre sind in Deutschland wahlberechtigt. Im Vergleich zu anderen Altersgruppen waren sie die größte und gleichzeitig aktivste Wählergruppe in Deutschland, obwohl weniger als Dreiviertel von ihnen zur Wahl gegangen sind. Die meisten Zweitstimmen gaben die über 70 Jährigen bei der Bundestagswahl 2013 der Union, danach der SPD und den Linken. Die älteste Wählerstruktur hatte die SPD: Sie wurde mehrheitlich von den Altersgruppen der über 45 Jährigen gewählt, während die Union auch bei Jüngeren Stimmen holen konnte. Die AfD erzielte bei den über 70 Jährigen ihr schlechtestes Ergebnis. Eine hohe Wahlbeteiligung von älteren Wählerinnen und Wählern bedeutet aber nicht automatisch ein gutes Ergebnis für konservative oder rechte Parteien. Die Bereitschaft von Wählerinnen und Wählern alternative Parteien wie die Piraten oder die AfD zu wählen sinkt, je älter sie werden.

Der Einfluss von über 70 Jährigen ist groß

Für die Wahlkampfstrategie der Parteien ergeben sich aus den Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes drei Erkenntnisse: erstens, der Einfluss der über 70 Jährigen auf das Ergebnis zukünftiger Wahlen ist groß. Sie sind die größte und gleichzeitig aktivste Gruppe der Wahlberechtigten in Deutschland. Gehen sie zur Wahl, hat ihre Stimme Gewicht. Gehen sie nicht zur Wahl, erhalten andere Altersgruppen überproportionalen Einfluss auf das Wahlergebnis. Unabhängig davon, ob das Silver Age ein Teil der Kernwählerschaft ist, werden erfolgreiche Wahlkampfstrategien den Einfluss der über 70 Jährigen auf den Ausgang von Wahlen einbeziehen.

Direkte und indirekte Mobilisierung

Zweitens, das Potential dieser Altersgruppe liegt in ihrer Mobilisierung. Dies kann über zwei Wege gelingen. Der erste Weg ist die direkte Mobilisierung der Wählergruppe über Themen, die sie direkt und unmittelbar betreffen. Bei den über 70 Jährigen könnte dies eine Erhöhung der Rentenbeiträge oder ein erleichterter Einstieg in die Pflegestufen sein. Der zweite Weg ist die indirekte Mobilisierung der über 70 Jährigen über die Ansprache von Zielgruppen, die ihnen besonders nahe und wichtig sind, wie ihre Kinder und Enkel. Die Versorgungssicherheit junger Familien, die Kinderbetreuung, die Generationengerechtigkeit oder die Bildungschancen der nächsten Generation könnten Themen sein, die den über 70 Jährigen aus ihren eigenen Familien vertraut und wichtig sind.  

Die Zukunft liegt in der Wählerbindung

Drittens, die Wählerbindung jüngerer Altersgruppen ist eine kluge Investition der Parteien in den Erfolg zukünftiger Wahlen. Wenn es den Parteien gelingt, Menschen bereits in jüngeren Jahren und direkt nach einer Wahl an sich zu binden, profitieren die Parteien, je älter die Wählerinnen und Wähler werden. Wählerbindung heißt direkte dialogische Kommunikation auf Augenhöhe. Hierfür wird die digitale Kommunikation eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Denn nicht nur junge Menschen bewegen sich täglich im Social Web, sondern auch die über 70 Jährigen nutzen digitale und mobile Informations- und Kommunikationsangebote wie Wikipedia, YouTube oder WhatsApp. 

Eine moderne integrierte Wahlkampfstrategie

Für die Instrumente der Wahlkampfstrategie gilt die Faustregel wie für alle anderen Kommunikationsmaßnahmen: die Zielgruppe entscheidet über die Instrumente. Das Mediennutzungsverhalten ist auch bei den über 70 Jährigen im Wandel. Botschaften erreichen sie nicht mehr ausschließlich über das Fernsehen, das Radio oder die Tageszeitungen. Mehr als die Hälfte der heute über 65 Jährigen ist in einem Social Network angemeldet und mehr als ein Drittel der heute über 50 Jährigen nutzt das Social Web, um sich über das aktuelle Tagesgeschehen zu informieren. Silver Surfer nutzen das Internet anders als Jüngere: Sie verbringen weniger Zeit online, sind dabei aber aktiver. Eine moderne integrierte Wahlkampfstrategie berücksichtigt heute beides: bewährte Instrumente und die zunehmende Affinität des Silver Age für die digitale Kommunikation. 

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Tabea Wilke

Tabea Wilke

Tabea Wilke ist Beraterin für digitale strategische Kommunikation. Sie berät internationale Unternehmen in den Bereichen Social Marketing, Content Management und E-Business und unterstützt politische Akteure in ihrer strategischen Kommunikation. Außerdem blogt sie auf www.tabeawilke.de.
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