Der Mensch handelt nicht rational. Der Wähler ist ein Mensch. So ist nur logisch, dass trotz öffentlicher Empörung über die Enthüllungen des Edward Snowden Überwachung kein wahlentscheidendes Thema ist: Im August war lediglich für knapp 20 Prozent der deutschen Bürger der Umgang mit der NSA-Affäre wichtig für Ihre Wahlentscheidung. Dank neuer Themen, die der Medienzirkus naturgemäß immer wieder nach oben und damit über andere spült, dürften es bis zum 22. September noch weniger werden. 

Bayern hat am Sonntag Überwachung gewählt

Die traurige Bestätigung dieser Gleichgültigkeit haben nun die Bayern gegeben: Bayern hat am Sonntag Überwachung gewählt. Wer sich vorab nicht nur auf das Charisma und die Führungsstärke Seehofers verlassen, sondern auch das Wahlprogramm der CSU und vielleicht sogar das der Schwesterpartei CDU gelesen hat, dem dürften die Pläne der beiden nicht entgangen sein:

So sieht die CDU Deutschland nicht nur als digitales Wachstumsland Nummer 1, sondern auch als Marktführer in Sachen Cyber-Sicherheit. Das heißt im Klartext: Der Wirtschaftsfaktor IT-Sicherheit hängt untrennbar zusammen mit dem Ausbau von Überwachungstechnologie und ihrem Einsatz sowohl hierzulande als auch im Ausland.

Dazu passt, dass die CDU konsequent an der Vorratsdatenspeicherung festhält. Weitere Themen der Netzpolitik werden angedeutet und nicht wirklich befriedigend ausgeführt. Die Notwendigkeit der Netzneutralität steht für die CDU noch nicht einmal fest.

Die Betonung der Bedeutung der USA als strategischer Partner schließt aus, dass es auch in Zukunft seitens einer konservativen Regierung auch nur den Hauch eines Widerstands gegen Überwachungen aus den Vereinigten Staaten geben wird. 

Auch im Programm der CSU, das wie ein Werbeprospekt für alpenländische Bio-Milch von glücklichen Kühen für schöne und traditionelle Menschen daher kam, tauchten die Themen Netzpolitik und Überwachung nur angedeutet auf. Das liegt sicherlich daran, dass Netzpolitik im Freistaat nicht wahlentscheidend ist und viele Themenkomplexe Bundessache sind.

Außerdem beschränkte man sich aber auch gern auf Inhalte, mit denen man gewinnen konnte. In Bayern gehören dazu das Versprechen eines eigenen Digital-Ministeriums und Investitionen in Höhe von nicht weniger als einer Milliarde Euro in den digitalen Sektor. Der Ausbau der Überwachung insbesondere im öffentlichen Personen-nahverkehr und an Bahnhöfen geht daneben fast unter. Mit Blick auf die ökonomischen Ziele der CDU scheint vorhersehbar, was davon in welcher Reihenfolge umgesetzt wird.

Bayern stülpt sich die netzpolitische Glasglocke über

Das alles geschieht selbstverständlich zu unserer Sicherheit. Eingefasst in das Welt- und Gesellschaftsbild, das die Unionsparteien bewahren wollen, stülpt die konservative Politik damit eine Glasglocke über das Land und argumentiert mit dem Schutz vor Terrorismus, Kinderpornographie und Gewalt. Eine Truman Show zum Preis einer uniformen Gesellschaft nach den Vorstellungen von Mutti Merkel und Papa Seehofer. 

Gegen den schleichenden, aber totalen Kontrollverlust über unsere Privatsphäre gibt es ein Mittel: Die Bundestagswahl am kommenden Sonntag. Und aufgepasst bei der Kreuzchen-Vergabe – entscheidend ist nicht nur das Wort, sondern auch die Tat

Geht wählen. Bitte.

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Nina Galla

Nina Galla

Nina Galla ist Beraterin für strategische Kommunikation für Unternehmen im B2B-Segment und politische Akteure. Ihr Schwerpunkt liegt auf IT- und Digitalthemen, Positionierungsstrategien sowie Krisen-Prävention und -Management. Von Berlin aus betreut sie Kunden in ganz Deutschland und arbeitet für verschiedene Agenturen: www.fair-sprechen.com
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