„Schlage nur so viel Holz ein, wie der Wald verkraften kann!
So viel Holz, wie nachwachsen kann!“
Was Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz 1713 als das Prinzip der Nachhaltigkeit formulierte, ist heute in aller Munde: Kein Wahlprogramm ohne Nachhaltigkeit – ein beliebig und sinnentleerter Gebrauch eines positiv besetzten Wortes?
Nachdem Bündnis90/Die Grünen bei der Bundestagswahl 1998 den Begriff der Nachhaltigkeit noch dominant besetzte, zogen schon 2002 alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien nach. Und 2013? 121 Mal kommt das N–Wort im Regierungsprogramm der Grünen 2013 vor, CDU/CSU und SPD sind mit jeweils 58 Nennungen gleichauf. Nur: Was meinen Parteien, wenn sie von Nachhaltigkeit sprechen? Und vor allem: Meinen sie dasselbe?
Wirtschaft dominiert Nachhaltigkeit
Alle Wahlprogramme können in die drei zentralen Aspekte der Nachhaltigkeit untergliedert werden: Ökonomie, Ökologie und Soziales.
- Nachhaltigkeit wird am häufigsten durch die Parteien im Kontext von Wirtschaft verwendet. Wachstum, Finanzierung und Haushaltspolitik – dies soll alles nachhaltig erfolgen.
- Der bei der SPD immer wieder in den Vordergrund tretende Abbau der öffentlichen Schuldenlast darf laut Regierungsprogramm aber nicht zu Lasten der öffentlichen Zukunftsaufgaben erfolgen. Das nennt sich bei der SPD „staatliche Nachhaltigkeit“.
- Im Programm der Union wird Nachhaltigkeit auffällig häufig in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklungspolitik genutzt. Zum Beispiel wird gefordert sich „für nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung“ einzusetzen sowie krisenhafte Entwicklungen „frühzeitig zu erkennen und ihnen vorzubeugen.“
- Nicht anders die FDP. Die widmet der Nachhaltigkeit sogar ein ganzes Kapitel: „Verantwortung für die eigenen Entscheidungen übernehmen – nachhaltig handeln“. „Nachhaltige Entwicklung ist nur in und durch Freiheit möglich. Nachhaltigkeit hat für Liberale nichts mit Askese zu tun. Auch die Menschen von heute haben ein Recht auf ein gutes Leben“. Aha.
- Und die Grünen? Sie nutzen Nachhaltigkeit in allen Kontexten des Wahlprogramms. Nachhaltigkeit wird nicht nur im Zusammenhang mit Umweltbelangen gefordert, sondern auch, wenn es um Wirtschaft und Wirtschaftspolitik geht: Hier dann in einem Sinne, dass nicht mehr verbraucht werden soll, als nachwachsen kann. Das N-Wort findet sich auch in kulturellen und technologischen Zusammenhängen wieder: „Nicht das Schielen nach Hollywood, sondern qualitativ hochwertige Filme sind der Garant für nachhaltige Erfolge des deutschen und europäischen Films.“ Oder „Wie offen, frei und nachhaltig unsere Gesellschaft ist, spiegelt sich auch im Einsatz freier und offener Software wider.“
Was kann der Wähler mit diesen Aussagen anfangen? Eine gute Frage.
Greenwashing im Wahlkampf?
Es scheint fast so, als würde nachhaltig oft nichts anderes als dauerhaft, langfristig, beständig, wirkungsvoll oder einfach nur das positive Label für ein zukunftsorientiertes Vorhaben meinen.
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Zum Beispiel, wenn die CDU in ihrem Regierungsprogramm sagt, „Ökonomisch und finanziell nachhaltiges Wachstum erfordert vor allem, die Verschuldungspolitik zu beenden.“ Meint sie dann nicht einfach „Ökonomisches und finanziell beständiges Wachstum erfordert vor allem…“?
- Oder wenn die FDP sagt, dass „Prävention, Selbstkontrolle des Sports durch den Sport, Investitionen in die neuesten Nachweissysteme und ein Klima gesellschaftlicher Zivilcourage gegen alle Formen des Betrugs sind erfolgversprechende Elemente, um Doping nachhaltig zu bekämpfen.“ Meint sie da nicht einfach nur wirkungsvoll?
- Oder wenn die SPD sagt, dass Frauen in der Wissenschaft und Forschung nach wie vor deutlich unterrepräsentiert seien. „Wir wollen den Frauenanteil im Wissenschaftssystem durch am Kaskadenmodell orientierte Zielquoten nachhaltig erhöhen.“ Meinen sie da nicht einfach langfristig?
Möglicherweise ist es nur mangelnde Kreativität oder eben Beschönigung, in diesem Fall: Greenwashing.
Die Verwendung des Begriffes Nachhaltigkeit in inflationärer Weise birgt die Gefahr der Abnutzung und dient damit nicht mehr als Alleinstellungsmerkmal. Alles ist nachhaltig. Alles wird gut. Fest steht: 2013 ist Nachhaltigkeit eines der zentralen Leitbilder der deutschen Wahlkampfpolitik aller Parteien und hat dabei so gut wie nichts mehr mit Wiederaufforstung zu tun, wohl eher mit Süßholzraspelei.
Wie nachhaltig die politische Umsetzung der Wahlprogramme ausfallen wird, steht dabei auf einem anderen Blatt.
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