Am 22. September 2013 werden bis zu 62 Millionen Verbraucher ihre Stimme abgeben. Genauso viele wie am nächsten Tag und am Tag darauf. Oder um es mit den Worten von Gerd Billen, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, zu sagen:
„Für Verbraucher ist jeder Tag Wahltag“.
Umso erstaunlicher ist es, dass die Verbraucherschutzpolitik keine gewichtigere Rolle in der Bundespolitik spielt.
Staatliche wie nichtstaatliche Organisationen haben sich den Verbraucherschutz auf die Fahnen geschrieben und helfen dabei, einen kontinuierlichen Dialog zwischen Verbrauchern, Unternehmen, Verbänden und Politik aufrecht zu erhalten. So sind seit dem Start des Internetportals www.lebensmittelklarheit.de vor zwei Jahren über 7.300 Produktmeldungen eingegangen. Der Erfolg der Plattform macht aber auch deutlich, dass weiterhin eine große Verunsicherung und großes Misstrauen bei den Verbrauchern besteht. Eine Studie des Instituts Infas fand heraus, dass zwei von drei Verbrauchern davon ausgehen, dass es im Finanzbereich und bei Lebensmitteln Produkte und Anbieter gibt, die Konsumenten täuschen und schädigen können.
CC BY-SA 3.0 Ralf Roletschek
Gerd Billen fordert daher
„mehr Klartext für Lebensmittel“.
Dafür müsse die neue Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern sorgen. In den Augen von SPD, Grünen und der Linken ist das probateste Mittel für mehr Transparenz eine Kennzeichnung von Lebensmitteln in den Ampelfarben Rot-Gelb-Grün. Die CDU hingegen begnügt sich mit der Einrichtung eines „Sachverständigenrates für Verbraucherfragen“, der auch von SPD und Grünen zusätzlich zur Ampel befürwortet wird. Die Ampellösung hatte bei einer Reform des EU Lebensmittelinformationsrechts im Jahr 2011 keine Mehrheit gefunden, wird jetzt aber beispielsweise in Großbritannien auf freiwilliger Basis wieder ins Spiel gebracht. Für die FDP ist der Verbraucher selber in der Verantwortung zu entscheiden, was gut oder nicht gut für ihn ist.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Finanzkrise überrascht es nicht, dass neben Lebensmitteln zunehmend auch andere Güter und Dienstleistungen – vor allem Finanz- und Bankenprodukte – strikteren Verbraucherschutzrichtlinien unterwerfen werden sollen. Schon im September konnte man absehen, dass die Bankinstitute im Wahlkampf in den Fokus der politischen Parteien geraten werden.
Im Hauptfokus steht derzeit die Deckelung von Dispozinsen für Girokontos. Die Zeit hatte mit Hilfe von Crowdsourcing kürzlich aufgedeckt, dass einige Banken Überziehungszinsen von über 15 Prozent fordern. Brigitte Zypries, im Kompetenzteam von Peer Steinbrück (SPD) zuständig für Verbraucherfragen, ist überzeugt, dass der Staat eine Schutzpflicht gegenüber den Verbrauchern habe. Peer Steinbrück werde bei einem Wahlsieg der SPD eine gesetzlich vorgeschriebene Grenze bei circa 8 Prozent festlegen. Diese Forderung wird bisher von der Union abgelehnt. Die CDU-Verbraucherschutzbeauftragte Mechthild Heil sprach sich bisher nur für eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ für Banken aus.
Aufgrund der unterschiedlichen Bewertungen des Stellenwertes der Verbraucherpolitik ist abzuwarten, inwiefern das zuständige Bundesagrarministerium von einem eventuellen Neuzuschnitt betroffen wäre. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist überzeugt, dass es gute Gründe dafür gibt, den Verbraucherschutz in die Hände eines eigenen Ministeriums zu legen. Und auch Steinbrücks Äußerungen auf dem Verbrauchertag „Verbraucherschutz ist mehr als Bio und Lebensmittelsicherheit“ und sei deshalb im Agrarministerium „nicht optimal aufgehoben“, lassen darauf schließen, dass bei einem rot-grünen Wahlsieg eben dieses Ministerium an die SPD geht und Renate Künast erneut Agrarministerin wird. Bei einer Fortführung der aktuellen Regierungskoalition ist jedoch davon auszugehen, dass die Kompetenzen des Landwirtschaftsministeriums unangetastet und das Ressort bei der CSU verbleibt.
Obwohl vier der fünf großen Parteien dem Thema Verbraucherschutz ein eigenes Kapitel in ihren Wahlprogrammen widmen, wird der Wahlausgang für die Industrie von entscheidender Bedeutung sein. Bei einer Wiederwahl der Regierung kann man davon ausgehen, dass die bürgerliche Koalition keine strukturellen Reformen in Sachen Verbraucherschutz anstoßen wird. Bein einem Sieg von Rot-Grün hingegen ist es wahrscheinlich, dass umfassendere Reformen angegangen werden, angefangen bei den verschiedenen „Marktwächtern“, die in den Bereichen Finanzen, Lebensmittel, Energie und Gesundheit Missstände aufdecken und an staatliche Behörden melden sollen. Dies wäre mit zusätzlichen regulatorischen Kosten für die Unternehmen verbunden. Auch die von der SPD befürworteten Muster- und Sammelklagen haben das Potential der Industrie erhebliche Mehrkosten zu verursachen.
Fabian Ladda
Neueste Artikel von Fabian Ladda (alle ansehen)
- Wächst die Verbraucherschutzpolitik aus den Kinderschuhen?! - 1. September 2013
0 Kommentare
Kommentar schreiben