Griechenland, PRISM, Mindestlohn: man könnte meinen, es gebe genügend Stoff für einen ernsthaften Wahlkampf. Aber keines dieser Themen spielt bislang eine wesentliche Rolle in der öffentlichen Debatte.

Für Aufregung sorgte alleine der Veggieday.

Foto: Grüne Sachsen, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

Der Grünen-Vorschlag, in Kantinen an einem Tag in der Woche kein Fleisch zu servieren, mag vielleicht nicht neu sein, aber er polarisierte Medien (Stichwort „Nanny-Staat“), Politik und Bürger gleichermaßen. Selbst Linken-Geschäftsführer Matthias Höhn warnte vor einer „Erziehungsdiktatur der Grünen“.

Dabei macht der aufgeregte Protest der politischen Wettbewerber vor allem eins deutlich:

Die Grünen sind die einzig verbliebene Partei mit einem in sich geschlossenen, stimmigen Weltbild.

Die Modernisierung der SPD ist mit der Wahlniederlage 2005 gescheitert – die Partei zieht sich auf ihre alten Positionen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik zurück, anstatt sich den Bedingungen des globalen Wettbewerbs anzupassen. Da viele der Akteure aus der Schröder-Ära jedoch immer noch aktiv sind, bleibt unklar, wo die SPD inhaltlich steht.

In der CDU versucht Angela Merkel, die Partei auf den Pfad des progressiven Konservatismus zu bringen. Weil sie aber – jenseits der Feststellung, dieser oder jener Schwenk sei "alternativlos" – kein Narrativ für diesen Kurs findet, folgt ihr die Partei nur widerwillig. Wie nachhaltig die Modernisierung der CDU ist, bleibt ohnehin abzuwarten. Merkels Reformen sind in der Partei ähnlich beliebt wie die Hartz-IV-Reformen in der SPD.

Die Linke mag vielleicht ein kohärentes Weltbild haben, aber wie glaubhaft ist die Umsetzung der politischen Forderungen innerhalb einer Koalition? Wo die Linken bislang regiert haben, war wenig von sozialer Revolution zu spüren.

Und die FDP? Während die Liberalen in den 1960er und 1970er Jahren noch an beide Volksparteien anschlussfähig waren, scheint es heute bisweilen, als hätten sie den Anschluss an alle Parteien verloren. In ihrem Kampf gegen den grünen Obrigkeitsstaat, rote Steuererhöhungsorgien und schwarze Intoleranz wirkt die Fünf-Prozent-Partei oft ziemlich verloren (es sei denn, Christian Lindner meldet sich zu Wort) …

Man kann das Weltbild der Grünen mögen oder nicht – aber Umweltminister Peter Altmeier trifft einen wichtigen Punkt, wenn er beim Wahlkampfauftritt mit Lars Zimmermann in Berlin-Pankow warnt, man solle den Grünen nicht die "kulturelle Hegemonie" überlassen. Die anderen Parteien können diese kulturelle Hegemonie jedoch nur zurückerobern, wenn sie selber kulturelle Angebote schaffen, also ein Milieu oder "Lebensgefühl", in dem sich die Bürger wiederfinden können. Dieses Angebot machen derzeit nur die Grünen.

Die Wähler scheinen dies zu honorieren: Das Wählerpotenzial der Grünen liegt laut Forschungsgruppe Wahlen derzeit bei 42 Prozent. Das ist immer noch der dritte Platz nach CDU (60 Prozent) und SPD (44 Prozent), aber weit vor der FDP mit 18 Prozent.

Die Grünen sind auf dem Weg zu einer echten Volkspartei.

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Daniel Florian

Daniel Florian

Daniel Florian arbeitet seit 2011 als Account Director im Berliner Büro der Public-Affairs-Beratungsgesellschaft g+ europe.
Zuvor arbeitete er bei dimap communications und beschäftigte sich vor allem mit den Themen Public Diplomacy und digitale politische Kommunikation.