Am gestrigen Tag der Einheit machte vor allem eine Rede auf sich aufmerksam; die des Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier sprach in der Mainzer Rheingoldhalle von „neuen Mauern aus Entfremdung, Enttäuschung und Wut“. Es seien viele Fehler gemacht worden bei der Wiedervereinigung, doch man dürfe die Sehnsucht nach Heimat nicht den Nationalisten überlassen. Etwas mehr als eine Woche nach der Bundestagswahl versucht sich Steinmeier nicht am Schönreden der deutschen Situation. Was aber hatten Vertreter aus den anderen politischen Lagern zu sagen? Wir haben die wichtigsten Stimmen gesammelt.

Christian Lindner (FDP) erinnert an die Aktualität des Auftrags


Ein historisches Ereignis muss nicht immer abgeschlossen sein, meint der FDP-Chef. Als „aktueller denn je“ nennt er die Deutsche Einheit auf Facebook. Damit könnte er Recht haben; denn neben vielen Wirtschafts-Statistiken zeigte zuletzt auch die Bundestagswahl, dass die innerdeutsche Grenze mitnichten der Vergangenheit angehört.

Manuela Schwesig (SPD) will kein Jammer-Ossi sein


Die in Brandenburg geborene Manuela Schwesig hat in der SPD einen raschen Aufstieg hingelegt. Als ehemalige Familienministerin noch von manchen als zu jung und unerfahren belächelt, macht sie seit Juli als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern einen soliden Job. Im Interview mit dem Tagesspiegel und der Rheinischen Post bemängelt sie unter anderem die geringe Anzahl an Führungspersonen, die „den Osten verstehen“.
Auch Schwesig sieht die Einheit als noch nicht vollendet an. Diesen politischen Auftrag gelte es endlich zu erfüllen und er dürfe nicht noch einmal drei Jahrzehnte dauern.

Jörg Meuthen (AfD) will das Einigende sehen

Viel zu oft gehe es in den Medien zum Tag der Deutschen Einheit um das Trennende, meint der Bundessprecher der Alternative für Deutschland, Jörg Meuthen. In einem langen Facebook-Post preist er die Vielfalt Deutschlands an, eine Vielfalt „unter dem Dach einer kulturellen Prägung“. Und er ruft auf, voneinander zu lernen. Wo der Osten von der wirtschaftlichen Raffinesse des Westens lernen kann, möge sich der Westen etwas vom Demokratieverständnis des mutigen Ostens abschauen.

Cem Özdemir (Grüne) erinnert an Erfolge und verpasste Chancen


Die männliche Hälfte des Grünen Spitzenduos meldet sich mit einem Video zu Wort. Vor einem Mauerabschnitt stehend berichtet Özdemir darüber, was ihn am Einheitstag bewegt. Das sind zum einen die Erfolge einer friedlichen Revolution, zum anderen aber auch die verpassten Gelegenheiten.

„Wir haben es nicht geschafft, dass aus Deutschland-Ost und Deutschland-West auch in den Köpfen der Menschen ein gemeinsames Land geworden ist.“

Überdies erinnert er daran, dass auch die Gastarbeiter aus der Türkei – oder im Fall der DDR aus Vietnam – und deren Nachkommen Teil eines geeinten Deutschlands sind. Letztendlich wünscht sich Özdemir, dass besorgte Bürger ein Gehör bei den demokratischen Parteien finden anstatt der AfD.

Katja Kipping (Die Linke)

„27 Jahre nach der staatlichen Herstellung der deutschen Einheit müssen wir konstatieren, dass die Einheit des Landes sozial, wirtschaftlich, kulturell und infolgedessen auch mental, nicht geschafft ist“. So beginnt der lange Facebook-Post von Katja Kipping, in dem sie das Scheitern der Einheit analysiert. Schuld trügen vor allem die Bundesregierungen seit der Einheit, die eins gemein hätten, nämlich dass sie sich nicht für den Osten interessierten. Vom Staat fordert sie eine aktive Aufbaupolitik und schlägt selbst die Gründung einer „Allianz für Ostdeutschland“ vor.

Andreas Scheuer (CSU) verbindet die Einheit mit Freiheit

In der Union finden sich wenige Spitzenpolitiker, die sich in den sozialen Medien explizit zum Tag der Deutschen Einheit geäußert hatten. Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hält es ebenfalls kurz: Freiheit sei nicht selbstverständlich. Daran erinnere der Feiertag jedes Jahr erneut. Zeitgleich erinnerte Scheuer an den Todestag von Franz-Josef Strauss.
Für die CSU selbst bedeutet die Einheit den „Sieg der Menschen über ein unmenschliches System“.

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Louis Koch

Louis Koch

Redakteur bei appstretto
Louis studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Er hat Spaß am Texten und Konzipieren, vor allem, wenn es um Politik geht. Bei appstretto ist er als Redakteur unter anderem für die Inhalte von wahl.de zuständig.
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