Das Wahlgeheimnis ist gutes Recht in einer Demokratie. Niemand soll sehen, wen man im Schutz der Kabine als politischen Vertreter wählt. Das sichert eine ungezwungene Wahl. Doch immer mehr Menschen posten Fotos von ihren angekreuzten Scheinen. Das Bundesinnenministerium möchte Handyfotos aus der Wahlkabine nun verbieten.
Drang an die Öffentlichkeit
Selfies beherrschen die sozialen Medien. Der eine oder andere mag diese Portale mit seinem Tagebuch verwechseln. Jeder Schritt wird kommentiert, sei es nun die Obstkiste vom Biobauern, der Smoothie aus dem Mixer oder eben das wahrgenommene Wahlrecht.
#Selfies mit #Stimmzettel: Regierung will #Smartphones in Wahlkabinen verbieten … https://t.co/P0oGv0Z1cb pic.twitter.com/PIJbeShq8v
— Twee.at (@twee_at) 25. Februar 2017
Beim sinkenden Anteil derer, die tatsächlich bei einer Wahl auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene teilnehmen, mag ein Selfie aus der Wahlkabine eine nette Erinnerung sein. Oder gar der Versuch, den Wahlgang wieder „cool“ zu machen.
So wer hilft mir jetzt bei der richtigen Antwort? #btw13 #wahlzettel #WahlReporter pic.twitter.com/LIHslBzg0r
— Andreas Wolff (@Wolff_Jena) 22. September 2013
Klar gegen Wahlgeheimnis
Doch Selfies verletzen tatsächlich das Recht auf das Wahlgeheimnis. Im Handbuch „Verfassungsrecht II“ steht: „Aussagen der Wähler über ihr Abstimmungsverhalten sind solange unbedenklich, wie sich ihr Wahrheitsgehalt nicht überprüfen lässt; dagegen ist zu verhindern, dass Wähler ihre gekennzeichneten Stimmzettel anderen Personen zeigen.“
„Weil das Wahlgeheimnis für den einzelnen Wähler nicht disponibel (sofort verfügbar) ist“, darf der Wähler nicht auf sein Wahlgeheimnis einfach so verzichten. Ähnlich erläutern es ähnliche Werke wie „Berliner Kommentar zum Grundgesetz” und der Grundgesetz-Kommentar der Verfassungsrechtler Maunz und Dürig.
Keine Beweise
Der Nachweis, ein Foto mit angekreuztem Kandidaten oder gewählten Partei, ist demnach nicht zulässig. Die bloße Behauptung, dass man eine Person gewählt hat, bleibt legal und kann so auch auf allen Medien in die Welt posaunt werden, wenn es denn sein muss.
hmh, die npd-kandidatin auf meinem #wahlzettel hat wohl ihren traumberuf gefunden. pic.twitter.com/xGOhCUuBpc
— bissfest (@civ1903) 7. September 2013
Es darf schlicht keine Beweise geben. Solange bleibt auch das Geständnis nur eine Behauptung, die man widerrufen kann.
Denn wer weiß, wie lange man mit seiner Wahl glücklich bleiben wird.
Verstoß gegen GG
Laut der Bundeswahlordnung muss der Wahlleiter den Wähler sogar zurückweisen, wenn er seinen Stimmzettel außerhalb der Wahlkabine gekennzeichnet oder gefaltet hat oder seinen Stimmzettel so gefaltet hat, dass seine Stimmabgabe erkennbar ist, oder ihn mit einem äußerlich sichtbaren, das Wahlgeheimnis offensichtlich gefährdenden Kennzeichen versehen hat.
Notwendiger Schutz der übrigen Wähler
„Es verstößt gegen den Grundsatz der geheimen Wahl, wenn ein Teil der Wähler geschlossen und demonstrativ auf das Wahlgeheimnis verzichtet, um die Stimmabgabe in einem bestimmten Sinne kundzutun, da die übrigen, geheim abstimmenden Wähler damit zwangsläufig in den Verdacht kommen, anders gestimmt zu haben. Die Geheimabstimmenden könnten dadurch in eine Zwangslage geraten, die sie an einer freien Wahlentscheidung hindert.“ Es geht also nicht nur um die persönliche Wahrnehmung des Wahlrechts, sondern um den Schutz der Mitbürger. Jeder braucht die Möglichkeit, seine Wahl zu verschleiern. Offenbaren alle anderen die Wahl, so wird auch klar, wie der letzte verdeckt gewählt hat.
Bloßes Durchsetzen
Das Bundesinnenministerium, allen voran Thomas de Maizière, setzt mit einem Handyfoto-Verbot in der Wahlkabine nur bestehendes Recht durch. Keines Falls wird dadurch die freie Meinungsäußerung eingesetzt. Die Demokratie basiert darauf, das Recht und die Freiheit des anderen zu schützen. Kein Gesetz bestärkt dies so sehr, wie das Wahlgeheimnis.
Helena Serbent
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