Sexismus ist wieder salonfähig. Ein polnischer EU-Abgeordneter beleidigt Frauen als schwach und dumm. Frauenquote und Equal Pay wird von den rechten Parteien Europas als „Genderwahnsinn“ beschimpft. Emma Watson muss sich für Fotos rechtfertigen. Feminismus bleibt unverstanden. Deshalb ist der Weltfrauentag so wichtig.

Korwin-Mikke: „Natürlich müssen Frauen weniger verdienen“

Das Europaparlament hat eine Untersuchung gegen den rechtsextremen polnischen Abgeordneten Janusz Korwin-Mikke wegen frauenfeindlicher Äußerungen eingeleitet. Der 74-Jährige hatte sich am Mittwochabend bei einer Debatte über die Kluft bei der Bezahlung von Männern und Frauen während der Redezeit einer spanischen Sozialdemokratin zu Wort gemeldet. „Natürlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer“, sagte er, „denn Frauen sind schwächer, sie sind kleiner und sie sind weniger intelligent“.

Die unterbrochene Sozialdemokratin Iratxe García Pérez sagte, nach Korwin-Mikkes Logik habe sie „kein Recht, hier zu sein“. Sie wisse, dass dieser „sehr empört“ darüber sei, dass auch Frauen Bürger im Parlament vertreten dürften. Sie finde ihrerseits, dass es nötig sei, „europäische Frauen vor Männern wie Ihnen zu verteidigen“.

Feminin statt Feminismus?

In Deutschland hat die Bedrohung des Feminismus mit der AfD ein neues Gesicht bekommen. „Feminin statt Femnismus“, prangert sie an, als würde das eine das andere ausschließen. Von Funktionären der Rechtspopulisten kommen Äußerungen, die das weibliche Geschlecht als Geburtsmaschine betrachtet.

Feminismus — die Wahl zu tun, was man für richtig hält.

Watson: „Eine Wahl haben“

Schauspielerin Emma Watson ist seit 2014 UN-Sonderbotschafterin für Frauen- und Mädchenrechte. Sie gründete den feministischen Lesezirkel „Our Shared Shelf“, protestierte gegen Trump auf dem „Womens March“ und entwickelte die Kampagne „HeForShe“. Weil sie sich jetzt für ein Cover-Fotoshooting der Vanity Fair obenrum leicht bekleidet und ohne BH zeigte, wird ihr von vielen Seiten nun abgesprochen, tatsächlich Feministin zu sein.

Watson zeigt sich daraufhin empört. Feminismus sei kein Stock, sondern die Wahl zu tun, was man für richtig hält. Frei in seinen Entscheidungen zu sein.

Es ist das, was rechte Parteien behaupten und was Emma Watson widerlegt: Feminin sein und für Frauenrechte eintreten, ernst genommen werden und nicht als hysterisch verschrien zu sein, egal, wie man sich kleidet.

Sexismus vs. Feminismus

Die Menschen haben Feminismus nicht verstanden. Wie Watson sagte: „Feminismus bedeutet unter anderem, eine Wahl zu haben. Und ich verstehe wirklich nicht, was meine Brüste damit zu tun haben.“ Sexismus ist das Gegenteil von Feminismus, Feminismus ist Humanismus. Und der ist notwendig, wenn ein Mann eines demokratischen Parlaments ein ganzes Geschlecht als weniger intelligent beurteilt und ihm das Recht auf die gleiche Bezahlung abspricht. Gleichberechtigung ist im deutschen Grundgesetz verankert, ebenso wie das Recht, seine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Doch für viele Menschen passen sexuelle Freiheit und das Recht darauf, als Person ernst genommen zu werden, bei einer Frau nicht zusammen.

Deutsche Armut ist weiblich

Wie notwendig der Weltfrauentag gesellschaftlich bleibt, zeigen auch die folgenden Zahlen: In Deutschland wird laut Terre de Femmes jede 4. Frau Opfer von häuslicher Gewalt. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um sexualisierte Gewalt. Jede dritte Minute wird in Deutschland ein Mädchen oder eine Frau vergewaltigt. Zur Verurteilung kommt es nur in etwa einem von 16 Fällen. Die Armut bleibt auch in Deutschland größtenteils weiblich: Altersarmut betrifft in Deutschland besonders Alleinerziehende.

Frauen sind weltweit ࡪ der Menschen in Armut

Nach Informationen der Welthungerhilfe befinden sich zudem 30 Millionen Frauen auf der Flucht. Die Gründe sind Armut, sexuelle Übergriffe, Krieg und Diskriminierung. In Afghanistan, Indien, Pakistan, im Kongo und in Somalia ist es für Frauen am gefährlichsten. Kulturelle Unterdrückung, gezielte Gewalt, Armut, sexualisierte Gewalt und Menschenhandel sind die größten Probleme, denen Frauen dort begegnen.

Gesetze reichen nicht

Die weltweite Gleichberechtigung bleibt ein Traum der fernen Zukunft. Jedes Mal, wenn Emma Watson sich für ihre körperliche Freiheit rechtfertigen muss und Idratxe García Pérez ihre Anwesenheit in einem demokratisch gewählten Parlament verteidigt, wird klar, dass auch die westliche Welt noch nicht so weit ist, wie sie immer vorgibt.
Allein die Gleichberechtigung in einem Gesetz festzuhalten reicht nicht aus. Schließlich gilt das GG, das die Gleichstellung von Männern und Frauen festhält, seit 1949. Vergewaltigung in der Ehe ist erst seit 1997 ein tatsächlicher Strafbestand.

Bis 1957 durften Frauen ohne Zustimmung ihres Ehemannes kein eigenes Konto eröffnen. Von 1958 bis 1977 lautete § 1356 BGB Absatz 1: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“

Diese gesetzlichen Kontroversen, die der Frau einerseits die Gleichstellung zuspricht und auf der anderen Seite ihr mehr Pflichten und weniger Freiheiten einräumt, sogar die sexuelle Selbstbestimmung der Ehepflicht unterordnet, zeigt, dass die Gesellschaft durch einen Paragrafen allein nicht zum umdenken bewogen wird. Doch sie zwingen sie, sich neuen Gegebenheiten anzupassen.

Nach wie vor gelten Frauen als risikoreiche Mitarbeiter, da sie durch Schwangerschaft und Elternzeit länger ausfallen können. Ein Beispiel für den Vorzug von männlichen Mitarbeitern ist auch folgendes Ereignis: Die im Ergo-Versicherungskonzern aufgegangene Hamburg Mannheimer hat für ihre besten 100 Vertreter eine Sex-Party in Budapest organisiert. Am 5. Juni 2007 mietete die Versicherung die traditionsreiche Gellert-Therme und verwandelte die historische Anlage in ein Freiluftbordell, wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf mehrere Teilnehmer berichtete. Bei solchen Veranstaltungen sind Frauen als Kollegen ungern gesehen. Das ist geschlechtsspezifische Behandlung, die weibliche Mitarbeiter ausschließt. Der Vorgang selbst ist ohnehin sexistisch genug.

Frauenquote zur Gesellschaftsveränderung

Eine Frauenquote in Führungspositionen würde ebenfalls die gesellschaftlich bekannten Normen der Männerdomäne aufbrechen. Wer dies als Ungerechtigkeit gegenüber den Männern empfindet, hat kein realistisches Bild der deutschen Arbeitswelt.

Neue und alte Herausforderung

Frauen wollen heute mehr, als wählen gehen. Mehr, als körperliche Unversehrtheit. Teilhaben, entscheiden.

Auch der Islam birgt neue Herausforderungen. Viele sehen die Entscheidung, beispielsweise ein Kopftuch zu tragen, als männliche Unterdrückung. Doch einige Frauen, die einen Hijab tragen, sehen sich trotzdem als Feministin, weil sie dies aus eigener Entscheidung heraus tun.

Nike: „Pro Hijab“

Die Sportbekleidungsmarke Nike hat passend zum Weltfrauentag die Zielgruppe arabischer Sportlerinnen entdeckt und den „Pro Hijab“ entworfen. Das Sport-Kopftuch wird in drei dezenten Farben erhältlich sein und besteht aus leichtem, atmungsaktivem Polyester. Trotz der winzigen Luftlöcher im Stoff ist es blickdicht, um die allgemein gültigen Hijab-Regeln nicht zu verletzen. Ab 2018 soll es auf dem weltweiten Markt erhältlich sein. Dann soll Sport keine Frage der Religion mehr sein.

Femnismus ist Freiheit

So sehr sich die Kontroverse mit Emma Watsons halbnackten Fotos auf den ersten Blick unterscheidet, ja, vielleicht sogar gegenteilig erscheint, so sehr sind sie ein Beispiel dafür, dass Feminismus missverstanden wird. Femnismus hat kein Standardbild, wie eine Frau gekleidet ist, welchen Beruf sie hat oder ob sie eine Familie gründen will. Es geht nicht darum, BHs zu tragen oder zu verbrennen, religiös oder atheistisch zu sein. Es geht darum, dass es ihre Entscheidung ist, wenn sie nackt oder verschleiert ist. Und bis die Welt das verstanden hat, braucht es eine feministische Bewegung und den Frauentag.

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Helena Serbent

Helena Serbent

Seit ihrem Volontariat bei Media Partisans arbeitet Helena Serbent für „wahl.de“ und moderiert bei ALEX Berlin die Talksendung „Kopf.Hörer“. Ihre Schwerpunkte sind Politik und Digitalisierung.