Die letzten Tage waren nervenaufreibend für die europäisch-amerikanische Freundschaft. Wo man nach Konsens strebt, driften die realen Vorstellungen auseinander. Die Entfremdung vom großen Nachbarn ist, kein halbes Jahr nach Trumps Amtseinführung, in vollem Gange.

Trump gegen die NATO

Bereits bevor sich die Nato-Mitglieder letzten Mittwoch in Brüssel zum gemeinsamen Gipfel trafen, hatten einige Verantwortliche Bauchschmerzen. Trump hatte das Bündnis im Wahlkampf mehrfach als obsolet bezeichnet, diese Behauptung anschließend wieder entkräftet, letztlich aber verstärkt Kritik an der mangelnden Zahlungsbereitschaft der Mitgliedstaaten geübt. Beim Event selbst nutzte er seine Redezeit, um diese Ansprüche noch einmal vor versammelter Mannschaft geltend zu machen.

Am Ende wurde alles etwas chaotischer, als man das kurz zuvor noch gedacht hatte. Dabei hatte der amerikanische Außenminister Tillerson kurz zuvor noch angemerkt, Trump würde sich bei seinem Besuch in Brüssel explizit zu den Verpflichtungen der USA gegenüber der Nato bekennen. Genau das war allerdings nicht passiert.

Auch das vormittägliche Gespräch mit den EU-Spitzen Donald Tusk und Jean-Claude Juncker verlief eher mau. Tusk konnte danach lediglich feststellen, dass die Differenzen zwischen der EU und den USA, besonders in der Klima- und Handelspolitik, noch nicht komplett ausgeräumt seien.

Trump gegen G7

Apropos Klima. Noch aufgewühlter ging es beim G7-Gipfel dieses Wochenende in Sizilien zu. Besonders in Sachen Klimapolitik kam es zum Bruch zwischen den USA und den anderen sechs. Anlass war das noch unter Ex-Präsident Obama verabschiedete Klimaabkommen von Paris. Auf der historischen Klimakonferenz im Dezember 2015 hatten die 195 unterzeichnenden Staaten unter anderem beschlossen, die Erderwärmung in Zukunft auf unter zwei Grad des vorindustriellen Standards zu senken.
Trump, der den Klimawandel einmal als eine Erfindung Chinas beschrieb, den USA zu schaden, sieht diese Beschlüsse allerdings als wirtschaftsfeindlich an. Bereits im Wahlkampf hatte er angekündigt, das noch unter Präsident Obama verabschiedete Pariser Klimaabkommen in den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit aufzukündigen.

Die übrigen G6 halten an dem Abkommen fest und bekräftigten die abweichende Haltung von den USA unüblicherweise noch einmal in einem gemeinsam veröffentlichten Communiqué:

The United States of America is in the process of reviewing its policies on climate change and on the Paris Agreement and thus is not in a position to join the consensus on these topics.

Donald Trump selbst kündigte per Twitter an, bald eine Entscheidung fällen zu wollen. Aber auch in Sachen Flüchtlingspolitik stellte sich der ehemalige Unternehmer quer. So hatte das Gastgeberland Italien vorgeschlagen, einen gemeinsamen Plan für eine „geordnete Zuwanderung“ zu entwerfen – und scheiterte damit an den USA. Lediglich bei der Handelspolitik deutete sich so etwas wie ein Konsens an.

Tiefe Kratzer im diplomatischen Parkett

Ebenfalls auf Twitter verbucht Trump seine Europareise als großen Erfolg. Damit steht der Präsident allerdings alleine da. Während sich Frankreichs neuer Präsident Macron noch damit zufrieden zeigte, dass Trump den anderen überhaupt zugehört hatte, befand Angela Merkel die Debatte mit den USA für „unzufriedenstellend“.
Als die Bundeskanzlerin nach ihrer Rückkehr aus Sizilien einen kurzen Zwischenstopp bei der CSU in Bayern einlegte, fand sie auch dort deutliche Worte. In ihrer Bierzeltrede vor rund 2300 Menschen zeigte sich, wie tief die Furchen sind, die sich mittlerweile durch das transatlantische Verhältnis ziehen. Die Europäer müssten ihr Schicksal selber in die Hand nehmen, so Merkel wörtlich.

Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt.

– Angela Merkel zu Besuch bei der CSU

Den letzten Streich lieferte der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann im Gespräch mit der Redaktion des Medienportals Der Westen. Im Hinblick auf Trumps Russland-Affäre nannte er diesen ein „Sicherheitsrisiko für den Westen. Dass müssten sich auch die deutschen Nachrichtendienste klarmachen. Anschließend wurde Oppermann noch deutlicher:

Ich habe den Eindruck, dass Donald Trump und seine Mitstreiter zu viel quatschen – und damit der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste einen Bärendienst erweisen.

Den europäischen Partnern scheint also langsam die Geduld auszugehen mit den Vertretern der US-Regierung. Auch, wenn man bisher keine Situation als finales öffentliches Zerwürfnis bezeichnen kann, ist es doch offensichtlich, dass es in der wichtigsten transatlantische Beziehung mehr als nur Lackschäden gibt. Dass sich diese über kurz oder lang einstellen würden, daran hätten nach Trumps wortreichem Wahlkampf die wenigsten gezweifelt. Erstaunlich ist nur, wie schnell das ging.

 

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Louis Koch

Louis Koch

Redakteur bei appstretto
Louis studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Er hat Spaß am Texten und Konzipieren, vor allem, wenn es um Politik geht. Bei appstretto ist er als Redakteur unter anderem für die Inhalte von wahl.de zuständig.
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