Die Internetbotschafterin der Bundesregierung, Gesche Joost (SPD), hat für die Ausübung ihres Ehrenamtes über 50.000 Euro Brutto im Jahr verdient. Das geht aus internen Unterlagen des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, die das ARD-Magazin REPORT MAINZ und der SPIEGEL gemeinsam ausgewertet haben. Joosts Aufgabe war es, sich ehrenamtlich für einen besseren Zugang zu digitalen Technologien einzusetzen, außerdem beinhaltete der Job Beratungstätigkeiten für die EU-Kommission und die Bundesregierung.
Die Nichtregierungsorganisation Lobbycontroll spricht in diesen Zusammenhängen von einer „Täuschung der Öffentlichkeit“, während Joost selbst die Zahlungen als gerechtfertigt ansieht. Tatsächlich wurde im Vorfeld des Vertrags eine Aufwandsentschädigung festgehalten, mit Unterstützung des damaligen Ministers Sigmar Gabriel.
Joost: „Also es ist einfach echt viel Arbeit. Insofern finde ich das auch nachvollziehbar.“
Doch die hauptberufliche Professorin für Designforschung steht auch aus anderen Gründen in der Kritik. So bekleidet sie seit 2015 einen Posten im Aufsichtsrat des Software-Herstellers SAP. Dabei untersagt eine Vertragsklausel eigentlich die Ausübung weiterer „unentgeltlicher und entgeltlicher Beratungsleistungen gegenüber Dritten“. In der Doppeltätigkeit Joosts sieht Lobbycontroll einen Interessenskonflikt: „Wenn Frau Joost im Aufsichtsrat von SAP sitzt, ist sie vertraglich verpflichtet, die Interessen dieses Software-Herstellers zu vertreten. Als Internetbotschafterin muss sie aber unabhängig sein“, stellt die NGO im Interview mit REPORT MAINZ und SPIEGEL fest.
Fakt ist, dass sich Joost als Internetbotschafterin für die Belange für SAP einsetzte und auch auf IT-Gipfeln vom Konzern gesponserte Präsentations-Stände organisierte. Joost selbst sieht ihr Engagement unkritisch. Da sie kein Mitglied der Regierung sei, gäbe es auch keinen Interessenskonflikt.
Eine andere Auffassung vom Verhältnis zwischen Joost und der Bundesregierung hat Jan Philipp Albrecht, Digitalpolitik-Experte der Grünen im EU-Parlament: „Mein Eindruck ist, dass ihr Einfluss auf die Bundesregierung sehr groß ist, was das Thema angeht. Sie wird dort sehr wahrgenommen und hat damit natürlich auch eine große Möglichkeit, die Positionen, die ihr aus der Wirtschaft herangetragen werden, direkt in die Regierungspolitik einfließen zu lassen.“
Louis Koch
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