Gewalt gegen Polizisten soll bald stärker bestraft werden. Der Bundestag will einen entsprechenden Gesetzesentwurf noch diesen Monat verabschieden, allen voran Justizminister Heiko Maas.

Mindestmaß als Maßstab

Die Verschärfung des Strafrechts wird kommen und sie hat es in sich. Mindestens drei Monate Gefängnis soll in Zukunft bekommen, wer einen Polizisten tätlich angreift. Ein tätlicher Angriff ist dabei „jede aktive Handlung gegen den Körper des Polizisten“. Dafür reicht es bereits, sich aus einem Polizeigriff befreien zu wollen.
Noch drakonischer wird es, wenn man sich mindestens zu zweit bewegt. Hier kann eine „relativ harmlose Widerstandshandlung ohne Schmerzen für den Polizisten“ eine Strafe von mindestens sechs Monaten nach sich ziehen – ein Strafmaß, das sonst für Delikte wie Kindesmissbrauch vorbehalten ist.

Die Bundesregierung begründet die Gesetzesänderungen mit der zunehmenden Gewalt gegen Polizeibeamte. Auch Heiko Maas sagt, man habe mittlerweile jedes Jahr über 60.000 Angriffe zu verzeichnen. Aber wie setzt sich diese Zahl eigentlich zusammen?

Kriminalstatistik nicht gut genug

Doch wie setzt sich diese Zahl zusammen? Alle Annahmen zur Gewalt gegen Polizisten basieren auf der polizeilichen Kriminalstatistik. Diese zählt aber nicht die tatsächliche Kriminalität, sondern die Ermittlungsverfahren, sogar die eingestellten. Dadurch kann es zu Verzerrungen in der Wahrnehmung kommen.
Wie die Sendung Monitor des WDR berichtet, haben die Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt im Vergleich zu 2008 abgenommen. Dass die von der Bundesregierung genannten Opferzahlen dreimal so hoch sind, liegt unter anderem daran, dass bei einem Angriff auf einen Polizisten oft das ganze Team als Opfer genannt wird.

Auch eine Gliederung in leichte und schwere Straftaten zeigt ein anderes Bild. Während minderschwere Straftaten wie Widerstand und Beleidigung tatsächlich zugenommen haben, ist bei ernsten Delikten wie schwerer Körperverletzung ein Rückgang zu verbuchen.

Darüber geben auch die offiziellen Zahlen Aufschluss: Von den 64.317 Straftaten gegen Polizeibeamte im Jahr 2015 waren 44.120 Bagatelldelikte, wie z.B. Widerstand oder Bedrohung. Gewalttaten wie einfache oder schwere Körperverletzung waren mit 18.973 vollendeten und versuchten Straftaten deutlich weniger vertreten.

(Auszug aus der polizeilichen Kriminalstatistik 2015, verändert.)

Auch Prof. Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg findet, dass diese Neuerungen jeglicher Grundlage entbehren:

„Wenn wir nüchtern das Material betrachten, ist für Alarmstimmung und für eine Hysterie eigentlich kein Platz.“

Es sei aber so, sagt Behr, dass die polizeiliche Kriminalstatistik nicht länger die Grundlage für den Diskurs um Gewalt gegen Polizeibeamte bilde. Es sei vielmehr eine Verselbstständigung des Gewaltdiskurses zu beobachten, in dem die gefühlte Gewalt eine viel größere Rolle spiele als die statistisch erfasste.

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Louis Koch

Louis Koch

Redakteur bei appstretto
Louis studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Er hat Spaß am Texten und Konzipieren, vor allem, wenn es um Politik geht. Bei appstretto ist er als Redakteur unter anderem für die Inhalte von wahl.de zuständig.
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