Cem Özdemir und Kathrin Göring-Eckardt stehen bislang nicht für einen erfolgreichen Wahlkampf. Das Spitzenduo der Grünen versucht beständig sich aus dem Umfragentief zu befreien. Göring-Eckart erklärte es mit dem viel zitierten Satz, dass ihre Walkampfthemen aktuell nicht „der heiße Scheiß“ sei. Doch nun stellt die Partei einen Zehn-Punkte-Plan auf, der die Bedingungen für eine mögliche Koalition festlegt.
Die Katze aus dem Sack lassen
Einleitend erklären Özdemir und Göring-Eckardt, dass sie mit dem Zehn-Punkte-Plan für Grünes Regieren den Wählern „ein verbindliches Angebot“ machen. „Er gibt eine klare Antwort darauf, wofür wir stehen und wofür es uns Grüne braucht. Diese zehn Vorhaben entscheiden über die Zukunft unseres Landes.“ Man nennt keinen möglichen Partner, sondern sagt: „Wer mit uns koalieren will, der muss bereit sein, bei diesen Vorhaben entschieden mit voranzugehen.“
Klimaschutz
Das unbeliebte Kernthema der Grüne steht als Punkt 1 auf der Agenda. Man will die Stromsteuer sachaffen, stattdessen eine aufkommensneutrale CO2-Bepreisung einführen und aus der Kohleförderung aussteigen. Klimawandel betrifft auch den Verkehr: Man will die Grundlage für „steuerliche(n), fiskalische(n) und infrastrukturelle(n) Voraussetzungen für die emissionsfreie Mobilität“ schaffen. Deshalb ist steht der Durcbruch der E-Mobilität auf Platz 2.
Kein Veggie-Day
Die finalen Forderungen nach einem Veggie-Day in Deutschland sind passé. Stattdessen formuliert man nun die schlichte Forderung nach gesunden Lebensmitteln. „Mit uns wird Deutschland auf eine nachhaltige Landwirtschaft umsteigen – ohne Ackergifte und Gentechnik. Die industrielle Massentierhaltung ersetzen wir über die nächsten zwanzig Jahre durch artgerechte Tierhaltung.“
Die Grünen und Europa
Der Kontrast zur AfD soll hier besonders deutlich werden. Deutschland brauche Europa, „denn ohne ein vereintes Europa wird es für uns alle weder Frieden noch Wohlstand noch Sicherheit in der globalisierten Welt geben. Mit uns wird es eine klare Kurskorrektur in der deutschen Europapolitik geben. Denn es braucht Partnerschaft mit Respekt auf Augenhöhe und mehr Solidarität und Nachhaltigkeit statt einseitiger Sparpolitik.“ Damit geht man auf Distanz zum Spardiktat des Finanzministers Schäuble und zur Griechenlandpolitik.
Familienförderung
Frauen sollen es leichter haben, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, deshalb wollen die Grünen die Familienförderung „mit 12 Milliarden Euro zusätzlich mit dem Familienbudget gerechter“ verbessern, denn „damit eröffnen wir endlich allen Kindern gute Chancen für ihr Leben – egal wie sie heißen, wo sie wohnen und wer ihre Eltern sind.“ Die Partei sucht ihr Profil in der sozialen Gerechtigkeit und will dies auch durch den digitalen Wandel hervorbringen. Dazu gehört auch Equal Pay, eine Bürgerversicherung, Anhebung des Rentenniveaus und das Recht auf Rückkehr in die Vollzeit.
Der Geschichte schuldig
„Wer anpackt für unsere gemeinsame Heimat, gehört dazu. Wer hier glücklich werden will, muss unser Grundgesetz und seine Grundwerte anerkennen. In unserem gemeinsamen Land gilt das für alle, egal ob sie aus Dresden oder aus Damaskus kommen“; formulieren die Grünen ihre Auffassung von „deutsch sein.“ Sie lehnen die Verschärfung der Asylpolitik ab und fordern gute Integrationsarbeit von Bund und Flüchtlingen. Dass sei man seiner Geschichte schuldig.
Ehe für alle
Die Ehe für alle soll ein grünes Thema sein. Das Eheverbot für Homosexuelle passe nicht in ein modernes Deutschland. „Wenn zwei Menschen sich lieben und füreinander Verantwortung übernehmen wollen, dann verdient das Respekt.“
Innere Sicherheit: Prävention statt Ausspähen
Die CDU nimmt das Thema innere Sicherheit gerne für sich in Anspruch. Doch die Grünen sprechen hier nicht nur von Einbruch und islamistischen Terror, man zählt auch die rechtsextreme Gewalt dazu. „Frauen können sich in der Öffentlichkeit nicht überall und immer sicher fühlen. Geflüchtete, Homosexuelle, sogar Obdachlose werden bedroht oder angegriffen.“
Deshalb stehe man als Grüne dafür, dass „die Polizei zur Erfüllung ihrer wachsenden Aufgaben gut ausgestattet ist, um effektiv schützen zu können.“ Außerdem wolle man die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden fördern und auf auf gezielte Überwachung setzen statt auf „massenhaftem Ausspähen aller Bürgerinnen und Bürger“.
Die Ursache des Problems
Als Hauptursache des Flüchtlingsstroms sehen die Grünen auch den deutschen Waffenhandel. Man sei ein internationaler Partner gegen den Krieg, doch trage derzeit mit Rüstungsexporten an Diktaturen und Krisenregionen zur Unsicherheit in der Welt bei. „Deshalb beenden wir solche Exporte mit einem verbindlichen Rüstungsexportgesetz.“ Außerdem wolle man seinen Beitrag leisten, um den Kampf gegen den Hunger in Afrika zu gewinnen und „Überfischung vor den Küsten Afrikas beenden und solche Agrarsubventionen streichen, die andernorts Landflucht und Hunger befördern. Der Kampf gegen die Klimaerhitzung ist auch ein Kampf gegen Fluchtursachen.“
Grün sein und toll dazu
Auf Bundesebene haben die Grünen aktuell einen schlechten Stand. Ihre Themen klingen oft nach „First World Problem“, die die Bodenhaftung verlieren. Besonders, wenn man sich mehr dem Thema der sozialen Gerechtigkeit annimmt, könnte man das Blatt wenden. Die Wahlen in den Niederlanden und Frankreich zeigen, dass man mit ein Pro-Europa-Kurs gegen rechts gewinnen kann. Man muss es nur wollen und darf sich nicht in Kleinigkeiten und Machtkämpfen verlieren.
Helena Serbent
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