Trump macht es vor, die anderen ziehen nach. Reaktionäres Denken wird offenbar wieder en vogue. Kurz nachdem sich die US-Regierung, von öffentlichem Tadel begleitet, aus dem Pariser Klimaabkommen zurückgezogen hat, ergreifen auch die Rechtskonservativen in Deutschland die Gunst der Stunde. Der sogenannte Berliner Kreis, ein loser Zusammenschluss aus Unionspolitikern von Kommunal- bis Bundesebene, fordert einen radikalen Kurswechsel in der deutschen Klimapolitik.

Große Töne á la Trump

Das Papier, das zuerst dem ARD-Hauptstadtstudio vorlag, geizt nicht mit starken Worten. So müsse der „moralischen Erpressung“ durch die Klimaforschung umgehend Einhalt geboten werden. Den Weltklimarat, der als Institution der Vereinten Nationen dafür zuständig ist, den weltweiten Forschungsstand zum Klimawandel zu bündeln, bezeichnete die Gruppe indirekt als eine Art „Weltrettungszirkus“. Auf die Kritik folgten direkte Reformvorschläge: Mehr wissenschaftliche Arbeit, weniger Aktivismus. Eine Fach- und Arbeitskonferenz alle fünf Jahre und ein zusammenfassender Bericht alle zehn Jahre müssten ausreichen, heißt es im Papier.

Auch die Rolle des Treibhauseffektes als Ursache des Klimawandels wird bezweifelt. Tatsächlich sei der Treibhauseffekt ein unerlässlicher Bestandteil des Lebens. Man stellt fest:

Das Klima hat sich immer gewandelt. Deshalb gibt es auch keine Leugnung eines Klimawandels.

Chancen der Erderwärmung

Die selbst auferlegte marktliberale Agenda des Berliner Kreises wird in der gemeinsamen Stellungnahme deutlich. So sehen die Unionspolitiker im Schmelzen der Polkappen „vermutlich“ mehr Chancen als negative ökologische Effekte. Beispielhaft genannt werden neue Möglichkeiten zum Fischfang, zum Rohstoffabbau oder kürzere Handelswege durch eine eisfreie und damit beschiffbare Nordpassage. Gleichzeitig spricht man sich vehement gegen „aggressive politische Ziele“ wie die CO2-Reduktion aus.

Für die Deutsche Klimapolitik finden sich einige mehr oder minder konkrete Vorschläge: So müsse das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das unter anderem die Subvention von Wind- und Solarkraft regelt, abgeschafft werden. Gleichzeitig bemängelt man die „Verdammung“ von konventioneller Energieversorgung wie Kern-, Kohle- und Gaskraft. Hier fordern die Politiker weitere Forschung und Innovationen. Letztendlich argumentiert der Kreis mit dem klassisch neoliberalen Credo: Weniger Staat, mehr (soziale) Markt(wirtschaft).

Mit konstruktiven Lösungen hält sich das Arbeitspapier eher zurück. Obwohl man, wie vorher angeführt, die Rolle von Treibhausgasen als klimatische Treiber anzweifelt, erwägt man die Besteuerung von Treibhausgasemissionen als ein mögliches politisches Steuerinstrument auf europäischer bzw. globaler Ebene. Voraussetzungen dafür seien allerdings „technologieoffene, innovationstreibende, marktwirtschaftlich effiziente Instrumente“. Was genau das für Instrumente sind, bleibt offen.

Gewitter im Wahlkampf

Letztendlich stellen sich hier hochrangige deutsche Politiker (dem Berliner Kreis gehört unter anderem Spitzenpolitiker Wolfang Bosbach an) hinter die Klimapolitik eines Donald Trump. Etwas weniger plakativ, dafür mit ähnlichen Argumenten, erklärt man die derzeitigen Anstrengungen zum Klimaschutz für wirtschaftsfeindlich und ohnehin nicht fundiert.

Brisant ist auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Papiers. Obwohl Angela Merkel sich noch vor zwei Tagen mit voller Kraft hinter das Pariser Klimaabkommen gestellt hatte, sorgt der Berliner Kreis nun im Vorfeld der Bundestagswahl wieder einmal für offene Diskrepanzen innerhalb der Union. Ob das für den Wahlkampf förderlich ist, wird sich zeigen. Cem Özdemir jedenfalls erkannte die Gelegenheit und legte gleich vor:

 

The following two tabs change content below.
Louis Koch

Louis Koch

Redakteur bei appstretto
Louis studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Er hat Spaß am Texten und Konzipieren, vor allem, wenn es um Politik geht. Bei appstretto ist er als Redakteur unter anderem für die Inhalte von wahl.de zuständig.
appstretto