Seit Ende letzten Jahres haben moderne Haushalte einen zweiten Liebling. Mit Google Home hat sich nach dem Amazon Echo ein weiterer Chatbot für den Heimgebraucht breitgemacht. Es scheint, als entwickeln die Menschen einen Faible für hilfreiche Roboter. Eine andere Maschine, die vielen Menschen das Leben erleichtern soll, ist der GovBot von der Firma publicplan. Er ist auf Verwaltungsangelegenheiten spezialisiert und soll vor allem die Mitarbeiter von Behörden entlasten.

24/7 im Einsatz

Der Bot spielt seine Stärken bei alltäglichen Prozessen und Anfragen aus. Hilfestellung bei Fragen nach Öffnungszeiten oder der Suche von Formularen und Anträgen gehören ebenso zu seinem Standardrepertoire wie die Terminvereinbarung. Im Dialog mit dem Nutzer klärt der Bot alle relevanten Fragen in einem optischen Rahmen, der stark an den Facebook Messenger erinnert.

GovBot

Auf den ersten Blick eröffnen sich viele Vorteile, die der GovBot gegenüber einem menschlichen Verwaltungsmitarbeiter hat. Zum einen ist der 24 Stunden am Tag erreichbar, sieben Tage in der Woche. Zum anderen kann er mehrere tausend Konversationen gleichzeitig führen. Über eine Upload-Funktion ist es zudem möglich, alle relevanten Dokumente direkt bereitzustellen. Dank einer integrierten Übersetzung kann der Bot auf Anfragen in mehreren Sprachen antworten. Und wie alle Bots lernt er von seinen Anwendern.

Bots und die Ethikfrage

Was der Mensch der Maschine jedoch voraus hat, ist ein unabhängiges Urteilsvermögen. Der Diskurs um die Notwendigkeit einer Ethik für Künstliche Intelligenz wird zunehmend hitziger. Vor allem im Forschungssektor der selbstfahrenden Autos gibt es großen Diskussionsbedarf. Das zeigte die Forderung des Verkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU), der bereits im Sommer des vergangenen Jahres eine Ethikkommission für autonomes Fahren forderte. Sie soll unter anderem klären, wie sich ein Algorithmus zu entscheiden hat, wenn er moralischen Dilemmata ausgesetzt ist. Darf ich zwei Menschen töten, um fünf andere zu retten?

Fragen wie diese zirkulieren nicht erst, seitdem es autonome Autos gibt. Und doch übersteigt eine dezidierte Beantwortung oft unsere Fähigkeiten. Maya Indira Ganesh, Doktorandin an der Leuphana Universität Lüneburg, zweifelt deshalb daran, ob moralische Entscheidungen in Programme eingebaut werden können. Wir zwängen damit eine Software, Entscheidungen zu fällen, die zu treffen wir selbst nicht imstande sind. Denn auch, wenn solche Dilemmata auf den ersten Blick eine logische Lösung verbergen – die richtige Wahl ist unmöglich; selbst, wenn man sie nur in der Theorie vollzieht. Wer glaubt, über solche Zweifel erhaben zu sein, darf gern auf der Website moralmachine das Selbstexperiment wagen.

(Die moralmachine bringt uns in ein moralisches Dilemma. MIT, USA)

(Die moralmachine bringt uns in ein moralisches Dilemma. MIT, USA)

Dass eine Ethik nach dem Schwarz-Weiß-Prinzip also zum Scheitern verurteilt ist, begründet Ganesh mit ihrer Beschaffenheit. Denn ein modernes Verständnis begreift Ethik als eine komplexe kulturelle Errungenschaft, die sich aus unzähligen Faktoren zusammensetzt. Demzufolge kann die Reduktion auf ein binäres Schema, das auf der strikten Einhaltung von entweder-oder-Prozessen basiert, niemals eine zufriedenstellende maschinelle Ethik ermöglichen.

Chatbots (noch) in keinem moralischen Dilemma

Nun müssen Chatbots in der Regel keine Entscheidungen über über Leben und Tod treffen. Das heißt aber nicht, dass ethische Prinzipien hier generell ausblenden werden können. Denn gerade bei den lernenden Maschinen muss man beachten, dass die Trainingsdatensets immer noch von Menschen erstellt werden und somit – implizit wie explizit – deren Vorurteile transportieren.

Auch das Fake-News-Problem fordert eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Wahren und dem Falschen und dem Streben nach dem Richtigen. Können Programme wie der GovBot langfristig dazu beitragen, Fakten wieder ins Debattenzentrum zu rücken? Wie sähe das aus und welche Handlungsmaximen müssten sie und ihre Entwickler dafür befolgen?

Mit Fragen wie diesen muss sich die Forschungselite in den nächsten Jahren vertieft beschäftigen. Solange die Bots allerdings nur Auskunft darüber geben müssen, wo sich das nächste Bürgeramt befindet, bleibt ihnen noch ein wenig Zeit, um eine Moral zu entwickeln.

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Louis Koch

Louis Koch

Redakteur bei appstretto
Louis studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Er hat Spaß am Texten und Konzipieren, vor allem, wenn es um Politik geht. Bei appstretto ist er als Redakteur unter anderem für die Inhalte von wahl.de zuständig.
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