Ein Buch wirft einen Blick auf die Möglichkeiten und Probleme politischer Beteiligung im Netz

Bei den Begriffen „Internet“ und „politische Partizipation“ fallen jedem sofort unterschiedliche Assoziationen ein. Während der eine es mit direktdemokratischen Beteiligungsformen verknüpft, denkt eine andere vielleicht an Partizipationsmöglichkeiten in Parteien und wiederum jemand anderes an die zivilgesellschaftlichen Möglichkeiten, die das Internet bietet. Das Buch „Internet und Partizipation – Bottom-up oder Top-down? Politische Beteiligungsmöglichkeiten im Internet“ versucht sich dem Themenfeld aus eben diesen unterschiedlichen Perspektiven zu nähern.

Alle diese Assoziationen sind verknüpft mit der Vorstellung, dass das Internet zu politisch besser informierten Bürgern und zu mehr Beteiligung der Bürger am politischen Prozess führen wird. Aber ist das wirklich so? Das ist eine Frage, mit der sich alle Autorinnen und Autoren des Bandes direkt oder indirekt beschäftigen.

Entstanden ist die Idee zu diesem Sammelband auf einer Tagung mit dem gleichen Titel, die im Dezember 2012 an der Universität Hamburg stattfand. Bei dieser Tagung versuchte ich durch die Mischung von Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft und Praxis und durch auf Interaktion angelegt Workshops einen Austausch Forschern, Praktikern und Teilnehmern zu ermöglichen. Die Sicht von Menschen, die sich im beruflichen Alltag mit politischen Beteiligungsformen im Internet beschäftigen, unterscheidet sich doch oft deutlich von dem doch eher distanzierten Blick der Wissenschaft auf das gleiche Thema. Die Tagung wie auch dieses Buch versuchen diesen Unterschied zu verdeutlichen und die verschiedenen Sichtweisen nebeneinander zu präsentieren. Das Buch ist im Übrigen kein Tagungsband, da neben den Referentinnen und Referenten von damals zahlreiche weitere Autorinnen und Autoren gewonnen werden konnten.

Der Versuch, eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen, spiegelt sich vor allem in den unterschiedlichen Arten von Beiträgen wider. Das sind zum einen klar wissenschaftlich geprägte Artikel, die grundsätzliche Fragen und Entwicklungen benennen oder einzelne Fallbeispiele analysieren. Auf der anderen Seite stehen die Beiträge von Vertretern aus der Praxis, die dem Leser einen Insider-Blick ermöglichen, aber deren Sichtweise selbstverständlich eine eher subjektive ist.

Das Buch beginnt mit einer wissenschaftlichen Einleitung in das Themenfeld und zwei Beiträgen, die das Thema auf der einen Seite aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive, mit dem Fokus auf die Bürger (Gerhard Vowe) und auf der anderen Seite aus einer politikwissenschaftlichen Perspektive, mit Blick auf die unterschiedlichen politischen Akteure (Norbert Kersting) beleuchten. Alle folgende Beiträge konzentrieren sich auf drei grundsätzliche Teilbereiche – Zivilgesellschaft, Parteien und Staat. Jeder Teilbereich beginnt mit einem einleitenden Übersichtsartikel, bevor anschließend einzelne Aspekte und Beispiele betrachtet werden.

Der erste Teil betrachtet die zivilgesellschaftliche Ebene – Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch Einzelakteure und soziale Bewegungen – und bietet wissenschaftliche Beiträge von Sigrid Baringhorst, Dieter Rucht und mir. Aus der Praxis berichten Volker Gaßner von Greenpeace und Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Alle Beiträge machen deutlich, dass politische Partizipation eben nicht nur eine Staatsangelegenheit ist, sondern auch ein Thema für zivilgesellschaftliche Akteure.

Der zweite Abschnitt widmet sich den Parteien und der Frage, wie unterschiedliche Online-Anwendungen von Parteien eingesetzt werden, um die eigene Basis und/oder die breite Bevölkerung an der politischen Meinungsbildung innerhalb einer Partei teilhaben zu lassen. Neben der Einleitung von Christoph Bieber zeigen die Fallstudien von Katharina Hanel und Stefan Marschall, von Giordano Koch, Maximilian Rapp und Dennis Hilgers sowie von Daniela Hohmann und Thorsten Faas die unterschiedlichen Möglichkeiten. Die Sicht der Parteien selbst bieten die Beiträge von Robert Heinrich und Malte Spitz von Bündnis 90/Die Grünen und von Anne Alter von der Piratenpartei Hamburg.

Im letzten Abschnitt geht es um den Einsatz von partizipativen Online-Tools durch den Staat – von Adhocracy bis hin zu formalen E-Konsultationen. Dabei werden aktuelle Beispiele und Erfahrungen ebenso beleuchtet wie die grundsätzlichen Rahmenbedingungen, Hindernisse und Voraussetzungen für erfolgreiche Online-Beteiligung. Die wissenschaftlichen Beiträge stammen von Herbert Kubicek sowie von Thorben Mämecke und Josef Wehner. Die Sichtwiese der Praktiker liefern Daniel Reichert und Eva Panek von Liquid Democracy, Birgit Hohberg, Maren Lübcke und Hans Hagedorn von DEMOS Gesellschaft für E-Partizipation und Matthias Trénel und Katja Fitschen von Zebralog.

Ein abschließendes Resümee zu ziehen, fällt schwer. Dieser Band erhebt nicht den Anspruch, einen allumfassenden Überblick über das Thema Internet und Partizipation zu bieten. Politische Partizipation im Internet befindet sich in einem permanenten Beta-Stadium, das von den politischen Akteuren ebenso wie von den Bürgerinnen und Bürger Offenheit und Experimentierfreude erfordert. Neue Anwendungen kommen hinzu, Vorreiter animieren andere Akteure zur Nachahmung. Entsprechend ist auch diese Aufsatzsammlung eine Art Beta-Version, ein Versuch, die Bandbreite des Themenfeldes zum jetzigen Zeitpunkt aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, um ein wenig Licht ins Dunkel der politischen Partizipationsmöglichkeiten im Internet zu bringen. 

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Dr. Kathrin Voss

Dr. Kathrin Voss

Dr. Kathrin Voss ist promovierte Politikwissenschaftlerin und selbstständige Beraterin. Sie berät vor allem Non-Profit-Organisationen, NGOs, Verbände und Behörden und hat sich auf Evaluationen spezialisiert. Beruflicher Werdegang: Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg und an der University of California at Berkeley (USA), danach Pressesprecherin, Promotion an der Universität Hamburg über die Öffentlichkeitsarbeit von Nichtregierungsorganisationen. Veranstalterin der Tagung "Internet & Partizipation" (2013, Universität Hamburg) und Herausgeberin des Buches mit gleichem Titel. www.kathrinvoss.de
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