Umfragen in NRW haben ergeben, dass für 42% der Befragten die Flüchtlings- und Asylpolitik immer noch eines der wichtigsten Themen ist. Etwas mehr als ein Viertel hält Schule und Bildung für das politische Topthema, während Infrastruktur (15%), Arbeit (14%), soziale Ungerechtigkeit (12%) und Innere Sicherheit/Kriminalität (10%) auf den hinteren Plätzen rangieren. Die Bürgerinnen und Bürger des größten deutschen Bundeslandes können die bei der Landtagswahl am 14. Mai entscheiden, welche der 35 Parteien diese Themen am ehesten nach ihrem Interesse umsetzt.

Landesmutter Hannelore

Als „Landesmutter“ genießt Hannelore Kraft großes Ansehen. Ihre Beliebtheitswerte lassen eine Wiederwahl möglich erscheinen. Im Saarland war das Vertrauen der Wähler ein großer Vorteil für AKK. Doch NRW ist nicht das Saarland – deshalb bleibt abzuwarten, welchen Effekt der Schulz-Hype auf diese Wahlen haben wird. Im Programm-Entwurf der SPD „Der NRW-Plan“ heißt der erste Punkt „NRW: Wirtschaftlich stark!“ und behandelt Aspekte wie gute Arbeit, Digitalisierung, Innovationen, Verkehrsinfrastruktur und Nachhaltigkeit. Erst an zweiter Stellen – „NRW: Sozial gerecht!“ – kommen sozialdemokratische Kernthemen wie Bildung, Familie und Gesundheitsversorgung sowie die Flüchtlings- und Asylpolitik („Integration“), die vom Großteil der Bevölkerung als besonders wichtig eingestuft wurde, ins Spiel. In klassischer SPD-Tradition will die Partei zudem mit handfester Lebenshilfe punkten. Für Bürger, die keine Juristen im Freundeskreis haben, soll eine Stelle für kostenfreie Rechtsberatung entstehen, die Hilfe beim Kampf im „Paragraphen-Dschungel“ anbietet.

Spitze der deutschen Wirtschaft

Die CDU setzt ebenso wie die SPD auf ihren Markenkern – sie will mit „Innerer Sicherheit“ die Stimmen der Wähler gewinnen. Im Programm „Zuhören. Entscheiden. Handeln.“ steht die Stärkung der Polizei an erster Stelle, dicht gefolgt von der Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen und dem islamistischen Terrorismus. Angesichts der desolaten Wirtschaftslage im Land hofft die CDU mit Wirtschaftskompetenz zu überzeugen: „Wir wollen wieder an die Spitze der deutschen Bundesländer“. Passend zum traditionellen Ansatz soll natürlich auch das Handwerk und die Forstwirtschaft gestärkt werden. Doch auch populäre – oder eher populistische – Themen fehlen nicht… So denkt die CDU darüber nach, das Rauchen in Kneipen wieder zu erlauben, mit dem Argument, dies könne dem „Kneipensterben“ entgegenwirken.

Fit für Innovationen, sicher vor Salafisten

Die FDP könnte in NRW zu alter Stärke zurückfinden und aus der Landtagswahl als drittstärkste Partei hervorgehen. Ganz oben auf der Wahlkampf-Agenda stehen Bildung – „Wir wollen, dass in NRW künftig die beste Bildung der Welt vermittelt wird“ – sowie Digitalisierung. Nicht nur der Einzelne, sondern die ganze soziale Marktwirtschaft soll „fit“ gemacht werden für Innovationen. Die Liberalen wollen sich ab 2017 für öffentlichen WLAN-Zugang einsetzen, NRW zum „modernsten Land Deutschlands“ machen und „finanzielle Starthilfe“ für junge Unternehmen und Gründer mobilisieren. Doch ganz ohne innere Sicherheit geht es trotz aller Liberalität auch hier nicht: Die „gezielte Überwachung von bekannten Gefährdern“, also Salafisten, steht genauso im Programm wie „Einbrecherbanden jagen“ (statt Polizisten für Blitzermarathons einzuspannen). Auch Datenschutz zählt für die FDP zur Sicherheits-Rubrik und wird von ihr liberal interpretiert: Die Sicherheit erhöht sich nicht, wenn der Staat den Menschen zum gläsernen Bürger macht.

Liberale Verpackung, konservativer Inhalt

Das Programm der AfD beginnt mit Heinrich Heines Worten „Diejenigen fürchtet das Pulver am meisten, die es nicht erfunden haben“. Die kämpferisch aufgemachte Agenda beginnt mit einem liberal anmutenden Menschenbild: „Das Menschenbild der AfD ist geprägt von Freiheit und persönlicher Verantwortung sowie Solidarität und sozialer Verpflichtung eines jeden Bürgers“. Im Programm wird dann aber doch mit AfD-typischen Themen gepunktet. So fordert die AfD „bei der Lösung der demografischen Probleme die Steigerung der Geburtenrate in den Mittelpunkt der Politik zu stellen“. Ganz auf Trump-Linie ist man beim Thema „Klimaschutzpolitik“, denn Kohlendioxid (CO 2) ist für die Partei kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens.

Klima und Zeitsouveränität

Die Grünen in NRW kämpfen gegen den Abwärtstrend. Obwohl viele junge Nachwuchstalente in der Fraktion sind, verzeichnen die Umfragen die schlechtesten Beliebtheitswerte seit zehn Jahren. Die aktuelle Regierungspartei ist sich mit ihren Themen wie Naturschutz, Tierschutz und Klimaschutz treu geblieben, doch das hilft nicht im Kampf gegen sinkende Umfragewerte. Ansätze wie „Ökologische Jagd“ oder Ideen zu „Grüne Sportpolitik für ein bewegtes NRW“ sowie „Zurück zur Zeitsouveränität“ sind zwar mal was anderen, treffen aber kaum einen Nerv.

Arbeitsplätze, Menschenwürde, Solidarität mit Geflüchteten

Nur Die Linke steht noch schlechter da. Sie bangt um den Wiedereinzug in den Landtag. Die Topthemen der Partei sind gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze, Menschenwürde, Solidarität mit Geflüchteten, Gesundheitsversorgung, Kinderarmut und sichere, soziale Rente. Im Parteiprogramm findet man noch Etliches zu den Themen Kommunen, Sport, Frauen, Queer, Umweltschutz, Antifaschismus, Drogen, Laizismus und Netzpolitik – doch damit kann die Partei in der öffentlichen Diskussion kaum punkten.

Roter Stern am Wählerhimmel

Je nach Auftraggeber und Meinungsforschungsinstitut sind die Prognosen zwar recht unterschiedlich, aber dennoch ist derzeit ein kräftig rot leuchtender Stern am Wählerhimmel sichtbar. Der SPD werden derzeit knapp 40% der Stimmen zugetraut, während die CDU bei 30% verharrt. Die FDP lag zwischenzeitlich bei 11% und hat gute Chancen auf den dritten Platz, dicht gefolgt von der AfD. Die Grünen pendeln zwischen 6 und 10 Prozent und liegen damit deutlich unter ihrem Wahlergebnis von 2012. Die Linken müssen um den Wiedereinzug in den Landtag bangen.

Jana Braun unterstützt polisphere e.V. – think tank for political consulting, machte ihren Bachelor in Politikwissenschaft und beginnt bald ihren Master in Governance & Public Policy. Der Verein liefert regelmäßig Impulse und denkanstöße für die political community. News, Jobs und Termine gibt es immer montags direkt in die Mailbox.

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