Die Katze ist aus dem Sack: Endlich wissen wir, was der Bundesvorstand der AfD politisch vor hat. Auf 66 Seiten hat die Partei ihr Programm für die Bundestagswahl ausgebreitet. Noch ist das Dokument im Entwurfsstadium, ein Parteitag am 23. und 24. April muss das Programm noch offiziell beschließen. Mit Spannung wurde erwartet, was die AfD in der Sozialpolitik zu bieten hat. Die Antwort lautet: Sozialpopulismus pur. Der erste Abschnitt des Kapitels zur Sozialpolitik trägt den Titel: Sozialpolitik und Zuwanderung. Mit dieser Schablone wird alles vermessen.

Mit Spannung erwartet: die Sozialpolitik der AfD

Die Partei versteht Sozialpolitik nicht als Umverteilung zwischen Arm und Reich, sondern als fiskalische Konkurrenz zwischen Deutschen und Flüchtlingen. In dem Programm stehen Sätze wie:

„Die Finanzierung unseres Gesundheitswesens wird durch allgemeine politische Fehlentwicklungen bedroht: Die von den Kassen zu tragenden Kosten für Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber laufen aus dem Ruder“
— Entwurf AfD-Wahlprogramm

Populistische Milchmädchenrechnung

Das ist Populismus wie er im Lehrbuch steht, weil unser das Wohlergehen unseres „Volkes“ durch die „Flüchtlinge“ bedroht wird, natürlich herbeigeführt durch die verfehlte Politik der Eliten. Und das ist übelster Sozialpopulismus, weil die AfD suggeriert, dass jeder Euro, den der Staat für Flüchtlinge ausgibt, automatisch deutschen Bürgern vorenthalten wird. Ein Bundeshaushalt funktioniert so aber nicht. Ein Großteil der Asylkosten werden von den Ländern und Kommunen gestemmt. Und sowieso: Nicht jeder Euro, der nicht für Flüchtlinge ausgegeben wird, würde direkt ins Sozialsystem fließen. Das ist eine populistische Milchmädchenrechnung. Auf Facebook suggeriert die AfD sogar, dass die Asylkosten direkte Geldtransfers an die deutschen Bürgern vereiteln würde. Dort plakatiert sie: „328 Euro Asylkosten pro Bürger pro Jahr: 4 Tankfüllungen, 3 Monate Stromrechnung oder 1.405 Windeln fürs Baby“.

Was im Wahlprogramm der Rechtspopulisten ganz deutlich wird: Die AfD möchte ein Zwei-Klassen-Sozialsystem entlang kultureller und ethnischer Linien. Erst die Deutschen, dann die Anderen. So kennt man es von Marine Le Pen aus Frankreich. Nach den Vorstellungen des Front Nationals sollen Kinder mit Migrationshintergrund für ihre Bildung zahlen, während Kinder französischer Abstammung weiterhin kostenlos in die Schule gehen dürfen.

Zwei-Klassen-Sozialsystem

Charakteristisch für das Programm der AfD ist auch eine sozial- und wirtschaftspolitische Schizophrenie. Man merkt, dass die Partei eine sehr heterogene Zielgruppe ansteuert: Einerseits bietet man den Arbeitslosen eine Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I und eine Erhöhung des Beitrags des Arbeitslosengeld II. Auch die Leiharbeit will man abschaffen. Andererseits fordert man das Ende der Erbschaftssteuer, das lockt die gut situierte Klientel der Partei an. Das Programm der AfD ist somit ein Selbstbedienungsladen für verschiedene Gesellschaftsschichten. Wie die AfD das finanzieren will? Darauf braucht man als Populisten keine Antwort geben.

Bevor die CDU dem SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz das nächste Mal Sozialpopulismus vorwirft, sollte sie zwei Mal nachdenken. Schulz mag vereinfachen und sogar Fakten ignorieren, aber wahrer Sozialpopulismus, der die Menschen in unserem Land nach ihrer Herkunft in eine Rangfolge bringt, gibt es nur von der AfD.

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Johannes Hillje
Johannes Hillje arbeitet als Politik- und Kommunikationsberater in Berlin und Brüssel. Er berät Politiker, Parteien, Institutionen, Verbände und Firmen. 2014 leitete er den Europawahlkampf der Europäischen Grünen Partei. Davor arbeitete er für die UN in New York und beim ZDF in Mainz.
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