Populisten, schrille Töne, Überraschungsangriffe: Das aktuelle politische Umfeld ist nicht nur für Wahlkämpfer eine Herausforderung. Auch für PR-Profis von Unternehmen wird der Job anspruchsvoller. Sie müssen sich auf die neue Situation einstellen – und können dabei von Parteien lernen.

Die Abläufe in vielen Pressestellen und Kommunikationsabteilungen von Unternehmen folgen einem ähnlichen Muster: Eine Medienanfrage geht ein bzw. eine Stakeholder-Äußerung mit Unternehmensbezug wird erfasst. Auf Basis von Geschäftsstrategien und Kommunikationslinien wird eine Reaktion vorbereitet. Es folgen diverse Abstimmungen, und nach Stunden oder Tagen geht eine Antwort raus. Das Unternehmen hat kommuniziert.

In vielen Unternehmen ist dieser Prozess im Laufe der Zeit flexibler und abstimmungsärmer geworden. Das ist vor allem eine Folge der Beschleunigung des Nachrichtenbetriebs sowie des Erfolgs sozialer Medien. Beides lässt sich nur dann gut handhaben, wenn man es – so haben viele Unternehmen erkannt – mittels schneller und unkomplizierter Abläufe tut. Das gesellschaftlich-politische Umfeld, mit dem sich Firmenkommunikatoren aber neuerdings konfrontiert sehen, zwingt sie nun erneut, Abläufe zu straffen – und verlangt zudem eine Kompetenz, die man eher in Wahlkampfzentralen findet: die Fähigkeit zum Campaigning.

Wenn Staatschefs Konzerne mit einem einzigen Tweet in Auseinandersetzungen zwingen, wenn ein Mobilitätsunternehmen für das Zeigen von Migranten in Werbespots angegangen wird, wenn eine Hotelkette plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit steht, weil eine bestimmte Partei bei ihr Tagungsräume anmieten möchte, dann wird Unternehmenskommunikation politisch. Zwar ist es weit verbreitet – und oft auch kommerzielle Notwendigkeit –, dass sich Unternehmen jenseits ihrer regulatorischen Interessen nicht zu politischen Fragen äußern. Doch diese Zurückhaltung stößt an Grenzen, wenn Unternehmen in politische Debatten hineingezogen werden, wenn Kommunikatoren nicht mehr nur zur Geschäftsentwicklung oder den wichtigsten Issues Auskunft geben müssen, sondern zu Fragen von Toleranz, Liberalität, Migration und Miteinander.

Dem Corporate Citizen fehlt meist die politische Haltung

Sich kurzfristig zu größeren politischen Themen zu positionieren, gehört nicht zum Tagesgeschäft von Unternehmenskommunikation. Welche Position das Unternehmen bei grundsätzlichen Fragen einnimmt, mit welcher Haltung es auf die Gesellschaft schaut, ist in Unternehmen selten aufgeschrieben und freigegeben, wird in Messaging-Dokumenten und Q&As meist nicht berücksichtigt. Und doch spricht vieles dafür, dass Kommunikatoren in Unternehmen eben diese politische Positionierungsleistung heute immer häufiger erbringen müssen, auch kurzfristig.

Letztlich ist genau das die Art von Tätigkeit, die in den so genannten War Rooms der Parteien, also bei den Kommunikationskollegen der Wahlkampfzentralen, Routine ist: Das Umfeld im Blick behalten, Äußerungen von Gegnern wie Freunden erfassen, sie auf Grundlage dessen, was an Beschlüssen und Programmatik vorhanden ist, bewerten – und dann schnell, mit Zuspitzung und Kreativität, eine Reaktion veröffentlichen. Im Unterschied zum Unternehmenskommunikator kann der Campaigner beim Formulieren seiner Botschaften auf eine politische Haltung seiner Organisation zurückgreifen, hat ein Repertoire an Grundwerten zur Verfügung, an denen er sich beim Schreiben eines Statements oder Tweets orientieren kann.

Unternehmen sehen sich zwar durchaus als Corporate Citizens – ihre Bürgerrolle füllen sie aber oft durch soziales Engagement und nicht durch das Vertreten einer politischen Haltung aus. Sie sind im Geschäft der politischen Positionierung verständlicherweise nicht geübt, verfügen meist nicht über die erforderlichen Strukturen und Prozesse. Doch genau das wird in einer Welt schriller, populistischer Diskurse, die binnen Sekunden über ein Unternehmen hereinbrechen können, immer wichtiger. Heißt konkret: Unternehmen sollten sich von der War-Room-Logik der Parteien inspirieren lassen, sollten sich ihrer politischen Grundwerte vergewissern, ohne sich jedoch in Parteipolitik hineinziehen zu lassen. Mindestens aber benötigen Unternehmen eine Struktur, mit der Fragen politischer Haltung beim entsprechenden Anlass schnell und pragmatisch geklärt werden können.

Content Marketing und Campaigning folgen unterschiedlichen Logiken

Ein Ort, an dem sich Unternehmenskommunikatoren in den vergangenen Jahren viel Inspiration für ihre Arbeit abgeholt haben, sind journalistische Organisationen. Content Marketing lautet das Schlagwort der Stunde, und so entstanden in vielen Unternehmen Newsrooms und zentrale Content-Teams. Hier dienen journalistisch-redaktionelle Abläufe als Vorbild: Es werden Themenpläne umgesetzt, Formate konzipiert, oft mit viel Vorlauf und Aufwand Inhalte produziert. Das Modell Corporate Newsroom ist durchaus sinnvoll, es gibt eine effektive Antwort auf die Frage, wie die vielfältigen Geschichten aus der Innenwelt eines Unternehmens integriert und wirkungsvoll in die Außenwelt getragen werden können.

In ähnlicher Weise könnten auch Wahlkampfzentralen als Inspirationsquelle für PR-Profis in Unternehmen dienen. Denn der Berichterstattungsmodus einer Unternehmensredaktion stößt dort an Grenzen, wo eine gesellschaftlich-politische Bewertung und Positionierung erforderlich ist. Hier geht es um die Fähigkeit zur schnellen politischen Standortbestimmung und der zugespitzten strategischen Kommunikation – eben wie es Campaigner tun. Für die Strukturen und Prozesse von Unternehmenskommunikation erfordert dies zusätzliche Ideen. Und vielleicht einen Blick in Richtung der Parteien. Frei nach dem Motto: Zum Newsroom gehört auch ein War Room.

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Manuel Adolphsen
Als Pressesprecher bei Axel Springer umwehte ihn Konzernluft – nun ist Dr. Manuel Adolphsen unter die Unternehmer gegangen und baut die Strategieberatung Panke mit auf.
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