Der Brexit, die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA, der Erfolg des Populismus in Europa: Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Vertrauensverlust die Welt verändern kann. In Deutschland stehen in diesem Jahr drei Landtagswahlen und die Bundestagswahl an – und auch hierzulande ist Vertrauen in etablierte Institutionen verloren gegangen. Die politische Kommunikation muss daraus ihre Konsequenzen ziehen und auf ein zunehmendes Misstrauen gegenüber Regierung, Wirtschaft, Medien und Nichtregierungsorganisationen reagieren. Genau für diese vier Institutionen hat das Edelman Trust Barometer 2017 weltweit in 28 Ländern untersucht, welches Vertrauen ihnen die Menschen entgegenbringen.
Die Mehrheit hat Zweifel, dass das System langfristig und in ihrem Sinne funktioniert. „Überraschend scheint gerade der deutliche Vertrauensverlust von NGOs um sechs Prozent im Vergleich zu 2016 – NGOs sind für viele offenbar nicht länger Teil der Lösung gesellschaftlicher Probleme, sondern werden als Teil der Eliten und damit Teil des Problems gesehen. Am besten schneidet noch die Wirtschaft ab – vielleicht auch, weil Unternehmen sichtbare Ergebnisse produzieren, weil die Arbeitswelt greifbarer Teil der Lebensrealität der Menschen ist“, sagt Ulrich Helzer, Senior Partner bei Edelman.ergo.
Was das Vertrauen in die vier Institutionen betrifft, zeigt sich eine wachsende Kluft zwischen den beiden Gruppen, welche die Untersuchung unterscheidet – der informierten Öffentlichkeit mit Hochschulbildung und höherem Einkommen auf der einen und der allgemeinen Öffentlichkeit auf der anderen Seite. Bei Befragten aus der gut informierten Öffentlichkeit – traditionell ein Rückhalt für die Vertrauensbasis der etablierten Institutionen – zeigt die Vertrauenskurve im Vergleich zum Vorjahr tatsächlich eine Tendenz nach oben. Dagegen ist das Vertrauen der allgemeinen Öffentlichkeit in Institutionen erneut gesunken.

Politische Kommunikation muss den Blickwinkel des Empfängers einnehmen

Kommunikation für die vier Institutionen muss sich daher teils neu erfinden, will sie Glaubwürdigkeit und Vertrauen wiederherstellen. Denn in Zeiten „alternativer Fakten“ gibt es kein Wahrheitsmonopol mehr für tatsächliche Befunde aus Politik, Medien oder anderen Institutionen. Die Bürger bestimmen ihre Realität vor allem in den Sozialen Medien zunehmend selbst – mit Fakten, die in das eigene Weltbild passen. Viele Inhalte, die die vier Institutionen kommunizieren, sind dagegen so aufbereitet, dass sie keine Relevanz für die Zielgruppen und ihre gefühlte Wirklichkeit mehr haben.
Für die politische Kommunikation im Wahljahr 2017 bedeutet das vor allem: Raus aus der Komfortzone. Politik als Institution kann die Relevanz ihrer Inhalte nicht länger voraussetzen. Sie muss sich die Aufmerksamkeit ihres Publikums verdienen – und das funktioniert nur, wenn Inhalte sich am Blickwinkel des Empfängers orientieren.

Eckpunkte für mehr Glaubwürdigkeit: Checkliste für politische Kommunikatoren und Wahlkämpfer

Um Vertrauen zu steigern, muss politische Kommunikation …


Vertrauen baut sich durch authentische Kommunikation auf, so eine Erkenntnis des Trust Barometer. 65 Prozent der Deutschen vertrauen am ehesten einer Person, die ihnen selbst ähnlich ist („A person like yourself“). Persönliche Erfahrungsberichte sind glaubwürdiger als eine Argumentation mit Fakten. Mehr als 70 Prozen der Deutschen halten zudem Informationen für glaubwürdiger, wenn sie direkt und spontan erzählt werden. Demgegenüber empfinden gerade einmal 27 Prozent einen geübten, diplomatischen Sprecher als glaubwürdig. Politische Kommunikation muss daher mehr wagen: Zum Beispiel in einer Außenkommunikation, die statt der abgestimmten Sprachregelung Greifbares und die Dinge beim Namen nennt.



Die Studie zeigt: Es sind vor allem die Mitarbeiter von Unternehmen oder Institutionen, die als vertrauenswürdig eingeschätzt werden. Dagegen halten nur 28 Prozent der Befragten in Deutschland CEOs für glaubwürdig; Regierungsvertreter erreichen sogar nur 26 Prozent. CEO oder Minister sind somit nicht zwangsläufig die erste Wahl, wenn eine Botschaft glaubwürdig ihre Zielgruppe erreichen soll. Vielmehr geht es darum, diejenigen in den Vordergrund zu stellen, die das Vertrauen in eine Institution festigen oder wiederherstellen können.


Die Relevanz von Inhalten für die Lebenswirklichkeit des Einzelnen wird zum Maßstab politischer Kommunikation. Schickt eine Firma demnächst selbstfahrende Lkw auf die Straße, ist es Aufgabe der Kommunikation, die Geschichte weiterzuerzählen: Was wird aus den Lkw-Fahrern, die dann arbeitslos sind? Machen politische Akteure deutlich, dass sie sich der Auswirkungen ihrer Handlungen bewusst sind, gewinnen sie an Glaubwürdigkeit. Politische Kommunikation ist gefordert, bei Themen wie Globalisierung, sozialer Sicherheit oder Zuwanderung die sozialen und wirtschaftlichen Implikationen des Handelns zu benennen.


Neben den Inhalten werden auch die Kanäle zur entscheidenden Stellschraube. An digital first führt kein Weg mehr vorbei. Politik muss nach den Relevanzkriterien der Sozialen Medien übersetzt und präsentiert werden. Politische Kommunikation, die ihre Zielgruppen erreicht, bietet teilbare Inhalte, und sie geht in Echtzeit auf aktuelle Themen ein. Das bedeutet auch, dass in vielen Unternehmen und politischen Institutionen schlankere kommunikative Arbeitsprozesse nötig sind.

Hintergrund

Das seit 2000 jährlich erscheinende Edelman Trust Barometer zeichnet als Langzeitstudie den Verlauf des Vertrauensverlusts in etablierte Institutionen wie Regierung, Medien, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen nach. Für das Edelman Trust Barometer 2017 wurden rund 33.000 Menschen in 28 Ländern befragt. Darunter rund 6.200 Menschen aus der informierten Öffentlichkeit.

The following two tabs change content below.
Hans Ulrich Helzer
Ulrich Helzer, Senior Partner, ist bei Edelman.ergo Berlin der Chef-Stratege für die Arbeit an der Schnittstelle von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Seit über 25 Jahren berät er zu Kommunikationsstrategien, Krisen- und Change-Kommunikation sowie Reputationsmanagement.
Hans Ulrich Helzer

Neueste Artikel von Hans Ulrich Helzer (alle ansehen)