Zu Gast bei Wahlkämpfern: wahl.de hat sich kurz vor dem Wahlsonntag mit Kandidaten für das Berliner Abgeordnetenhaus getroffen. Alle hoffen zum ersten Mal auf den Sprung ins Hauptstadt-Parlament. Sechs Direktkandidaten. Sechs Portraits. Sechs Wahlkampf-Forderungen. Eine Frage an euch. Registriert euch und stimmt ab!

Teil 4: Beate Prömm (AfD), Direktkandidatin in Moabit

Eine Straßenkreuzung in Moabit. Vielbefahren, wenige Passanten. Die kleine Gruppe fällt auf. Sie besprechen sich, laufen kleine Runden und treffen sich nach ein paar Minuten wieder am Ausgangspunkt. Die Situation wirkt etwas unbeholfen. Die Erklärung anfangs lächerlich. Beate Prömm, 42, Direktkandidatin der AfD für Moabit und den Brüsseler Kiez, spricht gleich als erstes über notwendige Sicherheitsmaßnahmen. Maximal 15 Minuten an einem Ort, dann müssen sie weiter. Das Risiko sei sonst zu groß. Eine Wahlkreiskarte liefert Orientierung. Vier Punkte sollen heute angefahren werden: Kirche – Einkaufszentrum – Aldi  – Arminius-Markthalle (wo eine Woche zuvor noch Peter Tauber mit dem CDU-Kandidaten Nöll diskutiert hat). Die Kandidatin wird von drei Parteifreunden begleitet. Ein vierter ist im Hintergrund. Für die Sicherheit. Er taucht immer mal wieder auf. Frau Prömm beruhigt das. Man fragt sich, was sie wohl erlebt haben muss, dass sie so verängstigt ist?

Die Verteilung der Flyer läuft eher schleppend. Viele Menschen treffen sie nicht. Es ist viel zu heiß an diesem Nachmittag. Die AfDler versuchen es ganz unterschiedlich. Beate Prömm und Daniel S., 20 Jahre, fragen eher ruhig und zurückhaltend, ob vorbeilaufende Passanten eine Wahlinformation haben wollen. Das Wort AfD fällt tatsächlich selten. Die beiden anderen Herren sind schon eher forsch, um nicht zu sagen ein wenig aufdringlich. Sie gefallen sich in ihrer Rolle. Der ältere Herr mit Hut möchte anonym bleiben. Dafür ist er allerdings auch am lautesten: „Hier sind wir! Die AfD. Ganz normale Menschen! Berliner nutzt eure Chance. Wählt AfD!“ Sogar ein Megafon hätte er dabei. Aber Prömm lehnt dankend ab. Der vierte Wahlkämpfer Roland Babilon, Mitglied im AfD Vorstand Neukölln, ist zwar nicht so laut, dafür aber recht unnachgiebig. Jede Person auf dem Weg wird versucht ins Gespräch zu verwickeln. Mal mit gutem, mal mit weniger gutem Erfolg.

Identitätsstiftung

Die Reaktionen der Angesprochenen sind genauso unterschiedlich, wie auch die Deutschen gerade gespalten sind mit ihrer Einschätzung über die AfD und ihre Zukunft. Sie reichen von „Nazis! Faschisten! Schämt euch!“ auf der einen Seite über „Keine Angst. Ihr bekommt schon eure Prozente! Habe euch eh schon gewählt.“ auf der anderen Seite. In einer Situation wird der ältere laute AfDler von einer aufgebrachten und wütenden jungen Frau angegangen. Bevor die Situation eskaliert, verschwindet das Wahlkampfteam und steckt lieber ein paar Flyer in die Briefkästen eines 70er Jahre Plattenbaus, der auf dem Weg liegt. Aber es finden, wenn auch wenige, Gespräche mit Interessierten statt. Da sich die Gruppe aber nie länger an einen Platz aufhalten will, ist die Quote eher gering. Angesprochen wird dennoch jeder. Direkte Berührungsängste haben sie nicht. Beate Prömm spricht auch mehrere offensichtlich streng muslimische Frauen an – oder besser drückt ihnen einen Flyer in die Hand. Das war überraschend.

Die Wahlkämpfer selbst teilen ihre politische Einstellung. Das schweißt sie zusammen. Auf dem Rundgang durch Moabit fallen ab und an Begriffe wie „Kanzlerdiktatur oder Linken-Hochburg“. Nach jeder Begegnung mit dem Wähler wird ausgewertet, wie der- oder diejenige auf sie reagiert hat. Auch das schweißt sie zusammen. Es scheint zwischenzeitlich so, als ob sie sich in der Rolle, ob Opferrolle oder Underdog, gefallen oder sich gar darüber definieren. Identitätsstiftung nennt man das. Obwohl vielleicht ein Handeln in einer Gruppe in solchen Situationen ganz natürlich zu solcher Verhaltensweise führt. Bemerkenswert ist es dennoch. Die Sicherheitsmaßnahmen reichen von Walkie Talkies für jeden AfDler über Flyer verstecken, wenn es Richtung Auto geht. Jeder wird gescannt. Es herrscht Nervosität.

Angesprochen auf die Polarisierung der Gesellschaft und einer eventuellen Mitschuld der AfD an der gegenwärtigen Situation reagiert Prömm mit Unverständnis. Dass alle Parteien in diesem Wahlkampf mit Anfeindungen, Pöbeleien und Plakatzerstörung zurecht kommen müssen, überrascht sie. „Ich glaube die anderen Parteien werden nicht so übel beschimpft.“ Besonders die Bezeichnung als „Nazi“ stört sie. „Es gab hier mal viele Nationalsozialisten während des zweiten Weltkrieges. Aber doch heute nicht mehr. Und schon gar nicht in der AfD. Mir sind keine begegnet“, so Prömm. Sie selbst wurde nach eigenen Angaben in Potsdam bei einer Tagung der AfD massiv von Antifa-Mitgliedern bedroht. „Deswegen ist mir das Thema Sicherheit bei Wahlkampfaktionen allein zum  Eigenschutz so wichtig.“ Anfeindungen kämen vornehmlich von Deutschen und nicht von Bürgern mit Migrationshintergrund. Erstaunlich für Prömm.

Beate Prömm, eine Frau mit durchaus sympathischem Auftritt, aufgewachsen in Rumänien als Mitglied der deutschen Minderheit in Siebenbürgen, denkt mittlerweile patriotisch. Sie hätte lange mit dem Begriff gehadert. Aber für sie bedeute es, dass sie die eigene Nation wertschätze. „Die deutsche Kultur, so wie ich sie bis vor zwei Jahren kannte, möchte
ich aufrecht erhalten.“ Das wären einfach zu viele Männer aus fremden Kulturen. „Mir als Frau macht die Massenmigration Angst.“

Erst SPD, FDP, Piraten und jetzt AfD

Sie ist eine ehemalige SPD- und FDP-Wählerin. Mit der CDU konnte sie nie etwas anfangen, da sie denen das Konservative nicht abgenommen hätte. Sie betonte mehrfach, dass ihr das Soziale aber auch das Freiheitlich-Liberale am Herzen läge. Deswegen war die SPD nach der Agenda 2010 für sie nicht mehr wählbar. Die Hartz IV-Gesetzgebung war ihr einfach zu restriktiv. Seit 2010 war sie Mitglied der Piraten und deren stellvertretende Landesvorsitzende in Bremen. Ihr lag damals die Freiheit im Netz am Herzen. Aber bei den Piraten vermisste sie den Bezug zu für sie relevanteren Themen wie die Eurokrise. „Stattdessen rückten Gender-Themen und der Kampf gegen Rechts in den Mittelpunkt und es gab auf einmal Männer, die sich selbst als feministisch bezeichneten.“ Die Eurorettung war dann der ausschlaggebende Punkt für Prömm, der 2013 zu ihrem Eintritt in die AfD führte. Mit Unverständnis denkt sie an die Ausgaben der Europolitik und aktuell an die Ausgaben für Einwanderer. „Es ist ja kein Geheimnis, dass es in Deutschland hohe Sozialleistungen gibt“, sagt Prömm im Hinblick auf die Migrationsbewegungen.

* Wir entschuldigen uns für die schlechte Bild- und Tonqualität. *

Für Berlin wünscht sie sich mehr direkte Demokratie, die auch verbindlich ist, die Abschaffung der GEZ und mehr Polizei.

Ziel: Bundestagswahl 2017

Beate Prömm ist „durchaus optimistisch.“ Sie denkt, die Partei liegt am Sonntag sogar bei 15 Prozent. In einer aktuellen Civey Umfrage lag sie bei dreizehn Prozent. Viele Leute würden die Probleme nicht sehen. „Viele glauben noch den Versprechen der Altparteien.“ Die studierte Romanistin und Fremdsprachenkorrespondentin Prömm selbst war längere Zeit von Arbeitslosigkeit betroffen und fühlte sich da von der SPD verlassen. Ab da wurde Protest gewählt. Auf die arbeits- und sozialpolitischen Ziele der AfD angesprochen, räumt sie hier noch Nachholbedarf für ihre Partei ein. Und da fällt auch das vielgesagte „fordern und fördern“ – Agenda 2010 lässt grüßen. Die AfD-Kandidatin ist mittlerweile als Übersetzerin selbstständig. Sie komme gerade so über die Runden – mit Hilfe von Rücklagen und Unterstützung ihrer Familie. Gern würde sie wieder in eine Festanstellung, das wäre aber schwierig. „Außer Zeitarbeit gibt es da nichts.“

Der 20jährige Daniel S. schwärmt derweil davon, dass die AfD mit dem Weggang von Bernd Lucke patriotischer geworden und nun endlich nicht mehr die Ein-Themen-Partei wäre, die sie mal war. Er träumt schon von einer Kandidatur zur Bundestagswahl 2017. Das Ziel scheint gesetzt.


Civey erfasst Meinungsumfragen in Echtzeit. Dafür hat das Berliner-Startup ein Online-Tool entwickelt, das repräsentative Umfragen im Internet ermöglicht. Civey berücksichtigt nur die Antworten von registrierten Teilnehmern und korrigiert Verzerrungen durch ein mehrstufiges Gewichtungsverfahren. Aktuell ist die Anwendung mit ausgewählten Partnern wie dem Tagesspiegel oder wahl.de in einem öffentlichen Betatest.

Wir brauchen euch, um diesen Test zu bestehen. Bis zum Samstag müssen circa 1.000 Berlinerinnen und Berliner als registrierte Nutzer auf der Umfrage zu den Wahlkampfforderungen abgestimmt haben, damit wir noch kurz vor der Berlin-Wahl ein repräsentatives Ergebnis bekommen.

Also helft uns, senkt den statistischen Fehler und stimmt ab!

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Alle Portraits finden sich hier: fragerei by dorfgeschrei

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Sebastian Schmidtsdorf

Sebastian Schmidtsdorf

Head of PR bei Civey
Bei wahl.de seit 2013. Mitherausgeber wahl.de-Buch #BTW13 Themen, Tools und Wahlkampf. Leiter Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit bei Civey. Leidenschaftliche "fragerei by dorfgeschrei".
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