Zu Gast bei Wahlkämpfern: wahl.de hat sich kurz vor dem Wahlsonntag mit Kandidaten für das Berliner Abgeordnetenhaus getroffen. Alle hoffen zum ersten Mal auf den Sprung ins Hauptstadt-Parlament. Sechs Direktkandidaten. Sechs Portraits. Sechs Wahlkampf-Forderungen. Eine Frage an euch. Registriert euch, stimmt ab und helft Civey durch den Betatest!

Teil 3: Katalin Gennburg (DIE LINKE), Direktkandidatin in Treptow-Köpenick

Ein lauer Sommernachmittag. Ein Café in Alt-Treptow. Blick auf den Spreekanal. Katalin Gennburg, 32, kommt mit einem freundlichem Lächeln auf ihrem Fahrrad angefahren. Sie passt in das Bild. Junge Leute liegen auf der Wiese am Ufer. Die Gäste bestellen sich das erste Radler im Café. Gennburg trinkt Cappuccino mit Sojamilch. Passt irgendwie auch oder auch nicht. Denn auch wenn sie mit ihrer bunten Leggings und lockeren Art Teil des Esprit von Nord-Neukölln, Alt-Treptow und Kreuzberg zu sein scheint, ist sie alles andere als Teil der Party- und Spaßgesellschaft – obwohl sie das bestimmt auch kann. Grundsätzlich ist sie eine harte Kritikerin der gegenwärtigen Politik.

Katalin Gennburg linke wahl.de

Ihre Frisur ist frisch geschnitten, wie sie sagt. Sie sieht jetzt wieder aus, wie auf den Wahlplakaten. Und sie hat recht. Die Begrüßung des Kellners: „Na sie kenne ich doch von den Laternen.“ Er zeigt auf ihr Plakat. Sie lächelt. Ihre Plakate findet Gennburg geil, auch wenn einige Freunde sagen, sie würde zu streng aussehen oder wie Mr. Spock von Raumschiff Enterprise. Während des Gesprächs redet Gennburg schnell, gern und auf den Punkt. Man merkt, sie ist tief in den Themen, über die sie spricht.

Die Linken-Kandidatin ist in Sachsen-Anhalt geboren. Mit 14 Jahren zog ihre Familie in den Berliner Speckgürtel nach Falkensee. Die studierte Stadt- und Raumforscherin interessiert sich genau für das: Stadtentwicklung. Und in Falkensee in Brandenburg kam sie das erste Mal mit dem Thema in jungen Jahren in Berührung. Geboren in einem schrumpfenden Ort, der nach der Wende mehr als die Hälfte der Einwohner verloren hatte, landet sie nun in dem prosperierendem Vorort von Berlin, der immer mehr Einwohner gewann. Die Frage nach der Gestaltung des Wachstums einer Stadt ist noch heute ihr Thema. Sie fordert bezahlbare Mieten für alle.

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Ihre Politisierung begann mit dem Irakkrieg. Sie hatte als Schülersprecherin damals beschlossen, zur Anti-Irakkriegsdemo nach Berlin zu fahren. Ihr Direktor hatte es ihr verboten. Sie schwänzte kurzerhand die Schule und fuhr zur Demo. Diese hatte sie dann so elektrisiert, dass ihr Weg direkt zur PDS führte. „Krieg oder Frieden. Das ist für mich die zentrale linke Frage“, so Gennburg. Bereits mit 18 Jahren wurde sie Stadtverordnete in Falkensee und war dort für ein Stadtentwicklungsprogramm zuständig. „Das war der endgültige Startschuss für mein Interesse an dem Thema.“

Im Alter von 20 war sie neben dem heutigen FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, damals noch spöttisch „Bambi“ genannt, eine der ganz wenigen jungen Wahlfrauen in der Bundesversammlung, wo Horst Köhler zum Nachfolger von Johannes Rau gewählt wurde. Ihre Fahrkarte zur Abstimmung bekam sie, obwohl erst als junge Quotenfrau abgestempelt, da glücklicherweise ein Parteioberer ein Machtwort sprach: Katalin sei nicht nur nominiert, weil „sie jung und weiblich ist, sondern weil sie auch was im Kopp hat“, wie Der Spiegel 2004 berichtet.

Es folgte ein Sprecherposten im Jugendverband der neugegründeten LINKEN, wo sie die Grabenkämpfe zwischen Ost und West mit ausfocht. „Das hatte mich sehr ausgebrannt“, sagt Gennburg rückblickend. Sie zog die Reißleine, machte Babypause und beendete ihr Studium. Heute arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Katrin Lompscher, der Sprecherin für Stadtentwicklung, Wohnen und Bauen der LINKEN im Berliner Abgeordnetenhaus. Das alles war aber nicht ihr ursprünglicher Plan. Sie träumte früher davon Modedesignerin zu werden. „Das habe ich aber zum Glück gelassen“, sagt sie heute. Vorstellen kann man sie sich trotzdem als verrückt kreative Modemacherin. Sie hat sich anders entschieden. Mittlerweile ist sie Mitglied des Parteivorstands der LINKEN, streitet sich leidenschaftlich für den Erhalt von öffentlichen Grünflächen und für ein Recht auf Leben in der Innenstadt.

Wir entschuldigen uns für den schlechten Ton

Ihr Wahlkampf im Treptower Norden begann für Gennburg im Februar diesen Jahres mit der Nachricht, dass das Musikfestival Lollapalooza im Treptower Park stattfinden würde. Für sie, eine Kämpferin gegen die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums, eine Unmöglichkeit. Die Kandidatin gründete eine Bürgerinitiative, organisierte Veranstaltungen und mobilisierte. Das hat sie mit ihrem Wahlkreis verbunden. „Ich habe in dem halben Jahr meinen Kiez, die Leute und Initiativen sehr gut kennengelernt.“ Bisher engagierte sie sich ausschließlich auf Landesebene. Die Diskussionsveranstaltungen mit ihren Gegenkandidaten der anderen Parteien im Wahlkreis hat sie eher als befremdlich empfunden. Duzen und Freundschaftsanfragen über Facebook kommen für sie in der politischen Auseinandersetzung nicht Frage. „Wir sind keine Freunde und insbesondere, wenn der Wahlkampf vorbei ist, sind wir schon gar keine Freunde mehr.“ Wirkliche Freunde wären mit ihr politisch halbwegs grün. Das klang erst einmal kalt, aber Gennburg spricht vielleicht nur ehrlich aus, was andere mit Freundlichkeiten überspielen. Politik ist ein hartes Geschäft.

Unterstützung holt sie sich derweil von ihrem Bundestagsabgeordneten in Treptow-Köpenick Gregor Gysi, der just seine erneute Kandidatur zur Bundestagswahl 2017 bekannt gegeben hat.

Für Katalin Gennburg kommt eine solche Karriere, wie die seine, zumindest aus heutiger Sicht nicht in Frage: „Man muss nicht sein Leben lang in einem Parlament rumhängen.“ Wir werden sehen, genug Energie und Themen hätte sie.


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Sebastian Schmidtsdorf

Sebastian Schmidtsdorf

Head of PR bei Civey
Bei wahl.de seit 2013. Mitherausgeber wahl.de-Buch #BTW13 Themen, Tools und Wahlkampf. Leiter Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit bei Civey. Leidenschaftliche "fragerei by dorfgeschrei".
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