Am 4. Dezember wird die Stichwahl wiederholt, wenn alles klappt hat Österreich bald einen neuen Bundespräsidenten. Die beiden Kandidaten könnten unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite des Rings Alexander Van der Bellen (unabhängig, ehemals Grünen-Politiker), Teil des linken Lagers, ein politisches Urgestein und ehemaliger Wirtschaftsprofessor. Auf der anderen Seite Norbert Hofer (FPÖ), Teil des rechten Lagers, dritter Nationalratspräsident und Mitglied einer völkischen Burschenschaft.

Anders als in Deutschland wird der Bundespräsident in Österreich per Direktwahl bestimmt. Das Volk wählt alle sechs Jahre ein neues Staatsoberhaupt. Der bisherige Bundespräsident Heinz Fischer durfte nach seiner zweiten Amtszeit nicht erneut antreten. Keiner der sechs Kandidaten konnte im ersten Wahlgang am 24. April ausreichend viele Stimmen für sich gewinnen. Eine Stichwahl zwischen mit dem erst- und zweitplatzierten Hofer und Van der Bellen war die Folge.

Die beiden Kandidaten im Überblick

Politische Positionen Alexander Van der Bellen Norbert Hofer
Neutralität Österreichs Plädiert für eine Aufgabe im Falle einer demokratisch legitimierten gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU Spricht sich für die uneingeschränkte Beibehaltung aus
EU Möchte mehr EU in Richtung „Vereinigten Staaten von Europa“ Ist mittlerweile gegen einen ÖXIT, in viele Punkten weiterhin sehr EU skeptisch
Außenpolitik Steht dem Wahlsieg Trumps kritisch gegenüber, kann sich eine Annäherung an Russland nur vorstellen, wenn es Fortschritte im Konflikt mit der Ukraine gibt Erster Kontakt zu Trump-Team soll bereits bestehen, setzt sich für eine Verbesserung der Beziehung zu Russland ein und will EU-Sanktionen aufheben
Gleichgeschlechtliche Ehe Dafür, inklusive Adoptionsrecht Dagegen
Parteimitgliedschaft (ruhend) DIE GRÜNEN, will die Parteimitgliedschaft für die Dauer seiner Amtszeit ruhen lassen (aktiv) FPÖ, will trotz des Neutralitätsgebots des Bundespräsidenten aktives Parteimitglied bleiben
Parteiunterstützung Parteiübergreifendes Bündnis FPÖ

Die deutlichen Positionen beider Kandidaten lässt fälschlicherweise den Eindruck entstehen, dass der österreichische Bundespräsident eine regierende Funktionen übernimmt. Tatsächlich verhält es sich mit dem Amt und den Aufgaben ähnlich wie in Deutschland. Der Bundespräsident hat eine repräsentative Rolle. Darüber hinaus ist er unter anderem befugt die Bundesregierung zu ernennen bzw. zu entlassen, er kann den Nationalrat (Parlament) auflösen und ist oberster Befehlshaber des Bundesheeres. Norbert Hofer hat wiederholt darauf hingewiesen, dass er ein anderes Amtsverständnis hat. In einer TV-Debatte kurz vor dem ersten Wahlgang kündigte er an, dass „man sich noch wundern werde“ was alles möglich ist als Bundespräsident.

Besonderheiten dieser Wahl

Die diesjährige Bundespräsidentenwahl unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von vorherigen. Es ist der längste Wahlkampf in der Geschichte der Zweiten Republik. Die Dauer ist für beide Kandidaten eine Belastung, profitieren kann keiner davon. Allerdings sieht der österreichische Politologe Peter Filzmaier Norbert Hofer im Vorteil, weil die FPÖ über größere finanzielle Mitteln verfügt. Ein weiteres Novum sind die Kandidaten selbst – noch nie hat es ein Grüner oder ein Blauer Kandidat in die Stichwahl geschafft. Damit stehen sich auch zum ersten Mal zwei diametrale Politiker gegenüber. Österreich ist polarisiert, Europa und die EU alarmiert.

Hofer ist sehr umstritten, ihm wird Nähe zu rechtsextremem Gedankengut vorgeworfen. Seine Mitgliedschaft in einer völkischen Burschenschaft unterstreicht diesen Eindruck. Seit längerem präsentiert er sich als Saubermann und versucht das Image eines politischen Hardliners abzulegen. Währenddessen hat sich eine breite Front gegen den blauen Kandidaten gebildet. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) warnt vor Hofers Amtsverständnis und prognostiziert „Machtmissbrauch und instabile bis chaotische Verhältnisse“. Der Ausgang der Wahl ist indes völlig ungewiss. Politikexperte Peter Hajek erwartet ein Kopf an Kopf rennen. Aktuelle Umfragen sagen weder Van der Bellen noch Hofer einen klaren Vorsprung voraus.

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Bernd Roschnik

Bernd Roschnik

Redakteur bei appstretto
Nach seinem Studium der Kulturwissenschaften hat Bernd Erfahrungen im Bereich Public Affairs und Public Relations gesammelt. Seit kurzem vervollständigt er seine akademische Vita und studiert Religion und Kultur an der Humboldt Universität. Außerdem unterstützt er nach Kräften appstretto. Sein besonderes Interesse gilt der Digitalisierung von Politik und die damit verbundenen Entwicklungen.
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