These 1: Europa ist Wurst – 85% weniger Reichweite auf YouTube als zur BTW 2013

Im Vergleich zur Bundestagswahl interessieren sich sehr viel weniger Bürger für die Videos der Parteien auf YouTube. Erreichte die AfD im BTW 2013 über 1,2 Millionen Aufrufe, sind es jetzt noch etwas mehr als 170.000. Nicht viel besser steht die CDU da: 410.000 Klicks im September, jetzt nur noch etwa 60.000, ähnliches bei der SPD. Die meisten Parteien erreichen nur 15% der Reichweite aus dem Bundestagswahlkampf. Das lässt für die Wahlbeteiligung am kommenden Sonntag wenig Positives erwarten…

These 2: Frank-Walter rockt – und die Verlinkung boostet Reichweite

Der politische Buddha vom Werderscher Markt zeigt wahre Leidenschaft: auf der Zielgraden wird der Ausbruch Frank-Walter Steinmeiers auf dem Alexanderplatz zum YouTube-Hit des Europawahlkampfes.

 

Von WELT Online ins Netz gestellt, Stunden später von SPON weit oben gelistet und von BILD-Online weiter gedreht, zeigt sich hier die Kraft eines digitalen Schneeballs – 650.000 Klicks in 24 Stunden. In den Kommentarleisten wogt die Diskussion Pro und Contra – in Hunderten Einträgen. Der Einsatz des Außenministers bringt 25 Mal mehr Reichweite (650 Tsd. zu 25 Tsd.), als die glatten Kampagnen-Clips aus Machnigs Europa-Kampa.  Das Rezept ist so einfach, wie schwierig: Leidenschaft, Authentizität und Glaubwürdigkeit – die Zuschauer goutieren es. 

These 3: TV-Duelle verpuffen – auch im Netz

Das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück hatte im September messbar zur Politisierung der Sozialen Netzwerke/YouTube beigetragen. Die mediale Gegenüberstellung von Martin Schulz und Jean-Claude Junker zeigte dagegen wenig Wirkung: zumindest auf YouTube hat die Personalisierung des Wahlkampfes kaum messbare Ausschläge im Zuschauerinteresse bewirkt. – siehe These 1.

These 4: Chance vertan – Parteien finden auf YouTube nicht in den Dialog mit den Wählern

Es gehört zu den weit verbreiteten Missverständnissen im politischen Social Media, die Kommentarfunktion unter einem Video zu aktivieren, aber nicht zu moderieren. Wer so agiert, schafft eine prominente Bühne für Schwulen-Hasser, Holocaust-Leugner und Alltags-Rassisten. Kaum eine Partei schickt ihre Anhänger oder Kampagnen-Mitarbeiter "in die Bütt" und es entsteht das Gegenteil von demokratischer Teilhabe – eine verbale Schlammlawine. Ob aus mangelndem Verständnis oder Überforderung: beim nächsten Mal gegensteuern oder gleich deaktivieren bitte!

These 5: YouTube rückt den Rand ins Zentrum

AfD, NPD, DKP, Bayernpartei, Pro NRW – YouTube ist die Plattform für die Outlaws des politischen Geschäfts. Mehr als 70% aller Klicks auf Wahlspots entfallen auf nicht im Bundestag vertretene Parteien. Das "Fernsehen des kleinen Mannes" bietet im Europawahlkampf vielen politischen Randfichten "15 minutes of fame" – und die bringen dann vielleicht ein paar tausend Wählerstimmen mehr, die in einer Wahl ohne Sperrklausel sehr wertvoll sein können.  Zwar entsteht auf YouTube noch keine ernst zunehmende Konkurrenz für den politisch-medialen Komplex aus Großverlagen, öffentl.-rechtlichen Sendern und politischen Institutionen, die für "Europa" agitieren. Aber wie schon bei der Bundestagswahl zu beobachten war: im Netz werden die technologischen und regulatorischen Freiheiten mit zunehmender Begeisterung genutzt… Fortsetzung folgt!

Europawahl 2014: Ranking Wahlspots YouTube

Stand 19.05.2014

1. AfD

215.562 Aufrufe, 721 Kommentare

 

2. Die Partei

160.234 Aufrufe, 156 Kommentare 

 

3. DIE LINKE

83.152 Aufrufe, 445 Kommentare 

 

4. CDU

76.735 Aufrufe, 256 Kommentare 

 

5. NPD

74.351 Aufrufe, 757 Kommentare 

 

6. Bayernpartei

43.289 Aufrufe, 20 Kommentare 

 

7. Pro NRW

38.725 Aufrufe, Kommentarfunktion deaktiviert 

 

8. Bündnis90/Die Grünen

31.923 Aufrufe, 130 Kommentare 

 

9. FDP

28.458 Aufrufe, Kommentarfunktion deaktiviert 

 

10. SPD

25.259 Aufrufe, 100 Kommentare 

 

11. Familien-Partei-Deutschlands

23.737 Aufrufe, 24 Kommentare 

 

12. DKP

20.757 Aufrufe, 92 Kommentare 

 

13. Piraten

18.670 Aufrufe, 108 Kommentare 

 

14. CSU

18.608 Aufrufe, Kommentarfunktion deaktiviert 

 

15. Partei Bibeltreuer Christen

16.368 Aufrufe,  93 Kommentare

 

16. Republikaner

15.813 Aufrufe, 65 Kommentare 

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Jost Listemann

Jost Listemann

Jost Listemann, Diplom-Politologe, ist geschäftsführender Gesellschafter der Berliner Bewegtbild-Agentur TIME:CODE:MEDIA GmbH. Er arbeitete seit 1993 als Journalist und Autor für öffent.-rechtl. Sender wie DWtv, SWR und arte. Seit zehn Jahren leitet er die TIME:CODE:MEDIA GmbH, die für Unternehmen und Kunden aus dem politischen Raum Bewegtbildkommunikation analysiert und Bewegtbild-Kampagnen organisiert. Jost Listemann lebt in Berlin, ist verheiratet und Vater zweier Töchter.
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