Mit ihrer gestern vorgestellten Plakatkampagne will die SPD vor allen Dingen eins: mobilisieren. Schließlich zeigen Wahlanalysen, dass Sozialdemokraten überdurchschnittlich von einer hohen Wahlbeteiligung profitieren. Ob der Partei das mit Angriffen auf Kanzlerin Merkel gelingt, ist allerdings mehr als fraglich.

Steinbrück, der selbst unlängst vor einer Negativ-Kampagne gegen Angela Merkel warnte, rechtfertigt die neuen Fotomotive damit, dass man zwar nicht Merkels Persönlichkeit angreifen wolle, ihre Politik allerdings sehr wohl. „Wir wollen am 22. September einen Bundeskanzler im Amt haben, der die Republik nicht einlullt, sondern diejenigen versammeln, die noch etwas bewegen wollen“, so Steinbrück laut Zeit Online.

Das Problem ist allerdings: die Menschen sind mit Merkels Politik weitgehend zufrieden, weil sie das tut, was viele Menschen von der Politik erwartet: sie in Ruhe lassen. Wie keine andere deutsche Partei ist die CDU unter ihrer Parteivorsitzenden Angela Merkel zu einer modernen, postliberalen Partei geworden, die soziale Liberalisierung mit einer konservativen Wirtschaftspolitik verbindet.

Im Vergleich zu 1998 gibt es 2013 auch keinen gesellschaftlichen Konsens über die Notwendigkeit eines Machtwechsels in Berlin. Der Historiker Edgar Wolfrum schreibt in seinem gerade erschienenen Buch Rot-Grün an der Macht:

Dass die CDU/CSU nach so langer Regierungszeit verbraucht war, stand für viele Menschen außer Zweifel (…) Deutschland benötige den Wechsel um des Wechsels willen (…). Die Wahlen boten die Chance, Fenster aufzumachen, das Haus zu durchlüften.

In diesem Jahr steht die Bundestagswahl allerdings unter anderen Vorzeichen: Griechenland steht vor dem nächsten Schuldenschnitt, die deutsche Wirtschaft leidet unter der Eurokrise und in Deutschland bedroht die Energiewende zehntausende Jobs in der „alten“ Energiewirtschaft. In dieser Situation schauen die Bundesbürger weniger auf die Bilanz einer Regierung und wägen statt dessen ab, welcher Kandidat am Besten geeignet scheint, die Bundesrepublik durch eine von Unsicherheit geprägte Zeit zu führen, die Flexibilität und Geistesgegenwart verlangt.

Angela Merkel hat bewiesen, dass sie über diese Fähigkeiten verfügt. Aber man muss ebenso konstatieren, dass sie oft zu spät die „richtigen“ Entscheidungen fällt und dann umso stärker reagiert – wie vor allen Dingen der hektisch wirkende Ausstieg aus der Atomenergie gezeigt hat. Auch in gesellschaftspolitischen Fragen von der Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften bis zum Betreuungsgeld wirkte Merkel nicht wie jemand, der den politischen Prozess gestaltet, sondern wie ein von der öffentlichen Meinung, dem Bundesverfassungsgericht und innerparteilichen Lobbygruppen Getriebener.

Hier müsste also die „Entzauberung“ von Angela Merkel ansetzen, nicht an der – auch bei Parteianhängern weitgehend unbestrittenen – mangelhaften Bilanz von Schwarz-Gelb. Sonst bleibt eben doch der Verdacht übrig, dass die Genossen nicht auf Sieg, sondern auf Platz spielen und es dem eigenen Kandidaten nicht zutrauen, sich auf Augenhöhe mit der Kanzlerin zu duellieren.

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Daniel Florian

Daniel Florian

Daniel Florian arbeitet seit 2011 als Account Director im Berliner Büro der Public-Affairs-Beratungsgesellschaft g+ europe.
Zuvor arbeitete er bei dimap communications und beschäftigte sich vor allem mit den Themen Public Diplomacy und digitale politische Kommunikation.